Shutdown
entspricht offenbar einem weitverbreiteten Bedürfnis wie Football. Ich verstehe beides nicht.«
»Können wir endlich weitermachen?«, fragte Jen gereizt.
»Ruhe jetzt!«, polterte Jezzus.
Zach Rant übernahm nahtlos: »Es ist soweit! Ausnahmezustand! Sie werden sich über das ungewohnte Studio wundern, aus dem ich heute sende, meine Damen und Herren. Es ist das Notstudio von ›TNN‹ in Huston. Geordnete Arbeit an unserem Hauptsitz in San Francisco ist nicht mehr möglich. In Kalifornien ist der Notstand ausgerufen worden. Die Stromversorgung ist vollkommen zusammengebrochen. Den Notstromgeneratoren in Spitälern, Einkaufszentren und Banken geht der Dieseltreibstoff aus. Hunderttausende Tonnen Früchte, Gemüse, Fleisch und Fisch verrotten in den Kühlhäusern und in den Kühlschränken der Menschen, die unsere Mitbürger sind, Amerikaner wie Sie und ich. Plünderungen sind an der Tagesordnung. Sie haben es in den Nachrichten gehört: Es gibt bereits Tote im Kampf um Benzin und Nahrung. Die Büros bleiben leer. Geregelte Arbeit gibt es nicht mehr. Der wirtschaftliche Schaden dieses totalen Blackouts ist noch gar nicht abzuschätzen. Dreitausend Schwerverbrecher, vor denen die Mauern San Quentins rechtschaffene Bürger schützen sollten, treiben stattdessen ihr Unwesen in den Straßen San Franciscos, Oaklands, Los Angeles, San Diegos und Renos. Polizei und Nationalgarde sind hoffnungslos überfordert, wie es scheint. Ausnahmezustand! Was sage ich? Kriegzustand! Und wem haben wir diesen Krieg im eigenen Land zu verdanken? Den Cyberterroristen? Sicher, aber diese Antwort ist zu einfach, zu kurz gedacht. Die Hauptschuld trifft die linke, liberale Politik, die über Jahre, Jahrzehnte die Augen verschlossen hat vor dieser realen Gefahr. Eine Politik, die es zugelassen hat, dass sich solche Terrorzellen im Netz unbehelligt ausbreiten konnten. Eine Politik, die solche terroristischen Angriffe überhaupt ermöglichte ...«
»Abstellen!«, riefen Jen und Emma gleichzeitig.
Jezzus hatte inzwischen seine Kopfhörer gefunden und stöpselte sie ein. Zach Rants wütender Sermon endete abrupt.
»Zeit für den nächsten ›Shitstorm‹«, murmelte er, während er eifrig Notizen machte.
Jen atmete auf. Was folgen würde, lag auf der Hand. Zach hatte den Boden bereitet für die nächste Runde in seiner Lobbyarbeit für ›PACTA‹, und Jezzus würde seine Twitter-Accounts und Followers mit Streubomben gegen den undemokratischen Gesetzesentwurf eindecken, eben einen seiner gefürchteten ›Shitstorms‹ entfesseln. Erleichtert widmete sie sich wieder der Suche nach den wahren Ursachen der Katastrophe.
San Francisco, Kalifornien
Carmen Tate warf ihrem Handy einen vernichtenden Blick zu, bevor sie es einsteckte. Don hatte gut reden. Er saß in seinem Haus am See oben in den Bergen bei exquisitem Sauvignon Blanc und Regenbogenforelle. Für ihn fand die Katastrophe nur auf dem Bildschirm und im Kopfhörer statt, und sie entwickelte sich genau in die Richtung, die er wünschte. Sie aber hielt die Stellung in diesem Geisterhaus an der Sansome Street, sorgte im Alleingang dafür, dass ihre Leute nicht durchdrehten und er und die Millionen da draußen sich weiter mit News und Kommentaren aus den Trümmern der Zivilisation unterhielten. Eines Tages würde sie es Don heimzahlen. Dumm nur, dass auch bestraft werden ganz oben auf seiner Wunschliste stand. Während sie durch den düsteren Flur zur Lokalredaktion eilte, fragte sie sich, weshalb sie überhaupt hergekommen war. In den nur noch von einzelnen Computerbildschirmen gespenstisch beleuchteten Büros arbeitete kaum mehr jemand. Die ›TNN‹ Studios glichen einer Filmkulisse nach dem letzten ›cut!‹. Nur Kiki und ein paar ihrer Leute von der ›Post‹ trotzten dem Chaos. Als ginge sie der Weltuntergang nichts an, erschienen sie zur gewohnten Stunde im Büro und verließen das Gebäude, nachdem die Arbeit getan war. Vielleicht wollten sie einfach nicht wahr haben, dass ihre geliebte Stadt vor die Hunde ging.
»Hat sich Steve bei dir gemeldet?«, fragte Kiki, kaum hatte sie die Redaktion betreten.
»Nein, warum?«
»Es gibt Gerüchte, dass er an etwas Großem dran ist, oben in Sacramento.«
Kiki Garcia leitete das Ressort Lokales. Dazu zählte sie alles, was im Norden Kaliforniens vor sich ging. Sie konnte es nicht leiden, wenn Fremde wie der ›Terminator‹ auf eigene Faust in ihrem Gärtchen recherchierten. Carmen hatte Steves Geheimnummer schon gewählt und
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