Shutdown
lauter Wortwechsel vor der offenen Tür unterbrach sie. Einer von Kikis Mitarbeitern stürzte mit rotem Kopf ins Zimmer, entschuldigte sich wortreich, während ein untersetzter, etwas zu wohlgenährter Mann ihn einfach beiseiteschob. Der Bulle war ihm deutlich anzusehen, ebenso seinem älteren Begleiter.
»Vielen Dank, Mr ...«, sagte der Dicke.
Mit gezückter Polizeimarke steuerte er auf sie zu und blieb erst einen knappen Millimeter vor dem Schreibtisch stehen.
»Sergeant Sheldon vom ›SFPD‹. Das ist Lieutenant Rosenblatt. Sind Sie Mrs. Tate, Carmen Tate?«
»Miss«, korrigierte sie ungeduldig. »Ich bin mitten in einer Besprechung. Was wollen Sie?«
Sie bemühte sich nicht, aufzustehen oder die Hand zum Gruß auszustrecken. ›SFPD‹ roch nach Anwalt, und der wartete jederzeit nur einen Telefonanruf entfernt. Sie gab ihren Mitarbeitern das Zeichen zu verschwinden, worauf sie sich geräuschlos entfernten.
»Wir haben einige Fragen zu den Berichten in ihrem Sender und der ›Post‹ über die vermutete Verbindung von ›CGO‹ zu einer Gruppe von Hackern«, sagte der Lieutenant freundlich.
»Wird das ein Verhör?«
Rosenblatt schüttelte den Kopf. »Wir möchten Ihnen nur ein paar Fragen stellen, wie gesagt. Uns interessiert, wie ihr Journalist ...«
Er stockte.
»Steve Duncan«, ergänzte Sergeant Sheldon.
»Ja, wir möchten wissen, welche Informationen Mr. Duncan vorlagen, als er den Artikel veröffentlichte. Wir können Mr. Duncan natürlich auch direkt befragen, wenn Sie das wünschen.«
Carmen warf ihm einen eisigen Blick zu. »Lieutenant, Sie wissen, dass wir unsere Quellen niemals offenlegen. Pressefreiheit nennen wir das in diesem Land.«
»Wir kennen die Regel«, erwiderte der Lieutenant gelassen. »Die aktuellen Umstände lassen uns allerdings keine Wahl. Es herrscht eine Art Krieg, wie Sie in Ihren Medien auch festgestellt haben. ›Cyber Command‹, die Nationalgarde und nun auch noch die Antiterror-Einheit des FBI sind aktiv. Ich glaube, es ist in Ihrem Interesse, mit uns zu kooperieren, bevor die Armee hier einfällt.«
Sie ließ sich nicht einschüchtern, doch was der Mann sagte, klang im Grunde plausibel. Was hatten sie zu verlieren, wenn sie den Informanten der ›CGO‹ preisgaben? Was hatte er oder sie zu verlieren? Das Letzte, was sie brauchte, waren Ermittlungen unter dem Verdacht der Beihilfe zu terroristischen Aktivitäten. Ermittlungen in der Grauzone zwischen Recht und staatlicher Willkür. Das konnte auch nicht im Sinne des Dons sein, aber sie wollte diese Entscheidung nicht fällen, ohne sich abzusichern. Sie entschuldigte sich, nahm das Handy und ging hinaus.
Don schlug ein ebenso verlogenes wie geniales Vorgehen vor. Sie sollte den verblichenen Jim Ward – Gott hab ihn selig – als Informanten und Lieferanten des Auszugs aus dem Hacker-Bericht entlarven. Das war plausibel, und Tote konnte man nicht mehr befragen.
»Mr. Ward selbst, soso«, wiederholte Rosenblatt nachdenklich, als sie ihm das Märchen erzählte.
Er glaubte ihr offensichtlich kein Wort, doch was kümmerte sie das? Sie wollte die lästigen Cops nur so schnell wie möglich loswerden.
»Ist das alles?«, fragte sie gereizt.
»Nicht ganz«, antwortete der Sergeant, »wir brauchen die Kopien, die Ihr Journalist von Mr. Ward erhalten hat.«
Bevor sie antworten konnte, deutete Rosenblatt mit einer fahrigen Handbewegung auf den Stapel Dokumente, den sie noch nicht bearbeitet hatte, und rief aus: »Da sind sie ja, nicht wahr?«
Dabei stieß er so ungeschickt an den Stapel, dass einige Papiere auf den Boden flatterten. Sofort knieten sich beide Polizisten hin, um sie einzusammeln. Rosenblatt, der Fuchs, legte sie mit einer Entschuldigung auf den Stapel zurück. Nicht, ohne sie zuvor unverfroren überflogen zu haben.
Sie zog die Papiere wütend zu sich. »Was fällt Ihnen ein? Das geht Sie gar nichts an.«
»Ich glaube schon«, grinste der Dicke. »Quelle der Schadsoftware im ›CGO‹ Netzwerk. Der Titel interessiert uns sehr. Woher stammt dieses Dokument? Und erzählen Sie uns nicht, es sei auf Ihrem Mist gewachsen.«
Nach kurzer Überlegung antwortete sie: »Ich habe es noch nicht angesehen. Es lag heute Morgen in unserem Briefkasten, anonym.« Dann griff sie zum Telefon. »Ich rufe jetzt meinen Anwalt an.«
Rosenblatt schüttelte den Kopf. »Ich mache Ihnen einen andern Vorschlag. Das Papier könnte von den Hackern stammen. Sie geben uns das Dokument jetzt einfach, dann bin ich bereit, auf eine
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