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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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ob es der Körper eines Mannes oder einer Frau war, der schlaff am Toilettenbecken hing. Klebeband drückte den Kopf der halb verwesten Leiche in die Schüssel. Fesseln aus demselben Material hielten Hände und Füße zusammen, oder was davon noch übrig blieb. Der Rücken war eine einzige summende, brodelnde Masse aus Schmeißfliegen und ihren Larven in allen Stadien. Dicke Würste weißer Maden wälzten sich im reichen Vorrat hochwillkommener Proteine. Nathan stürzte hinaus. Der Brechreiz war zu stark. Unter Würgen und Husten leerte er den Mageninhalt in die dunkle Nische zwischen Kopierer und Faxgerät. Der saure Gestank stach ihm wie Balsam in die Nase, denn er vertrieb für kurze Zeit den verfluchten Leichengeruch. Er wartete, bis sein Puls sich beruhigte, dann zog er das Handy hervor, um Verstärkung zu rufen. Joe kniete neben der Leiche, als er ins Bad zurückkehrte.
    »Was zum Teufel ist das?«, sagte er und deutete auf den verkrusteten After.
    »Angstscheiß«, antwortete Nathan, ohne genau hinzusehen.
    »Ja sicher, aber ... Hast du Handschuhe dabei?«
    Nathan schüttelte den Kopf. »Wir sollten das dem Medizinmann überlassen.«
    Joe ließ nicht locker. Er nahm kurzerhand ein Tuch vom Haken bei der Waschschüssel, umwickelte seine Hand damit und griff der Leiche an den Hintern. »Ein richtiger Scheißjob«, brummte er dabei. Nach kurzer Suche hielt er triumphierend einen Gegenstand in der Hand, der trotz des Schmutzes wie ein metallischer Stift aussah.
    Nathan kämpfte gegen neuen Würgereiz. Trotzdem sah er genauer hin. »Ein USB-Stick?«, fragte er verblüfft.
    Joe nickte grinsend. »Die Daten waren buchstäblich im Arsch.«
    »Das haben die wohl gesucht, wer auch immer für diese Schweinerei verantwortlich ist.«
    »Glaube ich auch. Die hätten nur ein wenig zu warten brauchen.«
    »Sieht nicht danach aus, als wären die Besucher des armen Kerls besonders geduldig gewesen«, meinte Nathan nachdenklich.
    Wenigstens das Geschlecht der Leiche stand nach dem zweiten Hinsehen fest.
    »Der Speicher muss dringend ins Labor«, fügte er unnötigerweise hinzu.
    Joe wickelte den Stift ganz ins Handtuch und steckte das Bündel ohne Zögern ein. Sie nutzten die Zeit bis Verstärkung eintraf, um sich einen Überblick über die restlichen Räume zu verschaffen. Sie bargen keine Überraschungen. ›Blizzcom‹ war vor mindestens drei, vier Wochen überstürzt ausgezogen, wenn es die Firma denn je gegeben hatte.
    »Das wollte Jason euch noch sagen«, sagte Kate später vorwurfsvoll im Büro. »Aber ihr hattet es ja eilig. ›Blizzcom‹ hat vor drei Wochen Konkurs angemeldet. Die Firma gibt es nicht mehr.«
    »Genau den Eindruck hatte ich auch«, brummte Nathan.
    Die Auswertung des sichergestellten Materials aus den verlassenen Räumen des Providers würde Wochen dauern. Die Arbeit musste gemacht werden, obwohl er mit ziemlicher Sicherheit ausschließen konnte, brauchbare Hinweise auf die Hacker zu finden. Die wichtigsten Daten waren wohl mit den Kerlen verschwunden, die das arme Schwein gefoltert und wahrscheinlich getötet hatten. Darauf deutete schon die Tatsache, dass kein einziger Datenträger, keine CD, DVD, kein Band, keine Festplatte im Haus zurückgeblieben war. Nichts außer dem gut versteckten USB-Stick im Enddarm des Opfers. Joe war mit seinem Fundstück bei der Kriminaltechnik und würde den Kollegen erst mit dem fertigen Bericht in der Hand von der Seite weichen.
    Die Techniker ließen sich Zeit bis zum frühen Nachmittag, doch das Warten lohnte sich. Freudestrahlend schwenkte Joe eine CD, als er ins Büro zurückkehrte, ohne Jackett und mit neuer, viel zu enger Hose.
    »Bist du überfallen worden?«, spottete Nathan.
    »Das Zeug hat erbärmlich gestunken, da hab ich's da gelassen. Bei der KTU gibt’s eine funktionierende chemische Reinigung.«
    »Wusste ich nicht.«
    »Man lernt nie aus.«
    »Also – die konnten die Daten retten, nehme ich an?«, fragte Nathan mit einem Blick auf die Disk.«
    »Problemlos. Dank der Tatsache, dass unser bedauernswerter Freund den Stick nicht verschluckt und verdaut, sondern nur hinten reingesteckt hat.«
    »So genau wollte ich es nicht wissen, Joe. Warum hat es so lange gedauert?«
    »Das Zeug war verschlüsselt. Wir sollten es uns auf Kates Computer ansehen. Es lohnt sich, kann ich dir sagen.«
    Die CD entlarvte den ehemaligen Internet Service Provider ›Blizzcom‹ als rabenschwarzes Schaf in der Branche. Über Jahre bot die Firma illegalen Filesharing Plattformen

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