Shutdown
einen sicheren Hafen. Zudem befanden sich Dateien auf der CD, deren Inhalt bei Nathan erneut starken Brechreiz erzeugte. Härteste Pornografie verbarg sich in den Archiven von Tauschbörsen, sadistische Szenen, die nichts mehr mit spielerischen SM–Praktiken zu tun hatten, offensichtlich geduldet, wenn nicht gar gefördert von ›Blizzcom‹. Das reiche Material musste ein wahrer Segen sein für die Sitte und die Nerds von ›eCrime‹. Nathan und Kate betrachteten schweigend den Dreck, den Joe ihnen im Schnelldurchgang vorführte.
»Bevor ihr fragt: Kopien davon sind schon weitergeleitet worden«, stellte er klar. »Für uns ist dieses Verzeichnis interessant.«
Er öffnete ein Fenster auf dem Bildschirm, einen Ordner mit der nichtssagenden Bezeichnung ›Office P‹.
»Sieht aus wie ein Zeitungsarchiv«, murmelte Kate.
Der Ordner enthielt eine lange Liste verschiedenartiger Dateien: Texte, Tabellen, Mailkopien, Bilder mit Bezeichnungen, die auf gescannte Dokumente hindeuteten. Alle Dateinamen begannen mit einer achtstelligen Zahl, dem Datum. Da die Liste nach Namen sortiert war, glich sie tatsächlich einem chronologisch geordneten Archiv von Zeitungsartikeln. Nachdem Joe die ersten und letzten Dokumente geöffnet hatte, wurde schnell klar, wozu man diesen Ordner angelegt hatte. Er enthielt die lückenlose Dokumentation der unerfreulichen Geschäftsbeziehung mit dem Kunden ›officep‹, angefangen vom harmlosen Servicevertrag bis zur unverhohlenen Erpressung mit Drohbriefen am Ende. Vielleicht war das der Grund für den Mord. Viel wichtiger erschienen Nathan die Internet-Adressen, die ›Blizzcom‹ diesem unangenehmen Kunden zugewiesen hatte. Es waren dieselben Adressen, die sie in den Tate-Files gefunden hatten.
»Wer zum Geier ist ›officep‹?«, fragte er heiser.
»Oder was«, ergänzte Kate. »Hört sich nach einer Organisation an.«
Joe nickte. »Der Name findet sich jedenfalls in keiner bekannten Datenbank, wie die KTU versichert. Der Vertrag mit dem Provider nennt auch keine echten Namen. Zahlungen sind keine nachgewiesen. Das lief offenbar alles unter der Hand gegen Cash. Aber unser Freund mit dem USB-Stick, oder wer auch immer den Speicher beschrieben hat, ist neugierig geworden, vielleicht ein wenig zu neugierig.«
Er öffnete eine weitere Datei. Sie enthielt eine Notiz und eine Skizze.
»Wie es aussieht, operiert oder operierte ›officep‹ von dieser Adresse in Richmond aus.«
Nathan glaubte, der Blitz hätte ihn getroffen. »Verflucht, Joe, das rückst du erst jetzt heraus?«
»Nur die Ruhe«, grinste Joe. »Unsere Kollegen in Richmond sind informiert. Sie beobachten das Gelände und registrieren jeden, der es betritt oder verlässt. Unauffällig, versteht sich.«
Das hörte sich schon eher nach seinem langjährigen Partner an. »Wir brauchen ein Einsatzkommando«, sagte er zu Kate. »Jetzt sofort!«
Sie nickte nur, drehte sich auf den Absätzen und ging zum Telefon. »Ich informiere den Oberstaatsanwalt und kümmere mich um die Papiere.«
Joe war schon an der Tür. Nathan griff nach dem Handy und folgte ihm.
Richmond, Contra Costa County, Kalifornien
Nach dem, was sie bei ›Blizzcom‹ gesehen hatten, mussten sie damit rechnen, dass ›officep‹ nicht zur Kategorie harmloser Computer-Freaks gehörte. Sie durften kein Risiko eingehen und rückten mit zwölf Mann des SFPD SWAT Teams, Spurensicherung und Notarzt an. Die Spezialisten des Richmond Police Department waren samt und sonders zu anderen Einsätzen zum Schutz gegen Plünderungen und zur Unterstützung der Nationalgarde abkommandiert. Das FBI war informiert über den Einsatz, doch Nathan hatte darauf bestanden, sofort aufzubrechen, ohne auf die Feds zu warten. Zum einen, weil jede Minute zählte, hauptsächlich aber weil er absolut keine Lust hatte, das Kommando abzugeben. Die einzige Zufahrt zum Gelände auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht war die 23. Straße. Sie näherten sich dem flachen Fabrikgebäude von beiden Seiten. Das Haus lag still und friedlich in der Nachmittagssonne.
»Sieht nicht sehr belebt aus«, brummte Joe.
Dafür sprach auch der leere, staubige Parkplatz. Nur am Straßenrand der 23. standen einige Autos.
»Keine Bewegung in der letzten Stunde«, bestätigte der Posten des Richmond Police Department, als er zustieg.
»Und vorher?«, fragte Nathan. »Irgendjemand rein oder raus?«
Der Officer schüttelte den Kopf. »Am Haus war niemand. Nur auf der Straße. Die sind
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