Shutdown
fanden den Witz gut, doch sie hatten nichts begriffen, fürchtete Jen. Vielleicht war sie zu pessimistisch.
»Lieber pessimistisch als tot«, murmelte sie, während sie den sperrigen Pick-up langsam zwischen schäbigen Holzhäusern und verbeulten Autos auf der einen und Schlaglöchern auf der andern Seite in Richtung Dreiundachtzigste navigierte.
Das Haus, das sie suchte, war nicht zu verfehlen. Im Gegensatz zum schmutzig braunen Rasen waren die Wände sattgrün und schuppig wie die Haut einer Echse. Die weiß gestrichenen Latten am Dach der Veranda verstärkten den Eindruck, der Besucher trete in den Schlund eines gefräßigen Dinosauriers. Die Anspielung musste Absicht sein, denn hier wohnte der Mann, den sie lange Zeit nur unter dem Namen T-Rex gekannt hatte. Sie parkte hinter einem einäugigen Ford, der einmal rot gewesen war und gut zu ihrem Pick–up passte. Keine Menschenseele ließ sich blicken, doch das änderte sich schlagartig, als sie ausstieg. Wie von Scotty hierher gebeamt, umringte sie eine Gruppe schwarzer Teenager. Sie versperrten ihr den Zugang zum Haus und musterten sie mit Mienen, die unmissverständlich ausdrückten: Hau ab, sonst ... Artillerie sah sie keine, aber die Jungs waren zweifellos bewaffnet. Einer trat auf sie zu. Sein Gesicht dicht vor ihrer Nase, fragte er lauernd:
»Hast dich verfahren, was?«
Sie antwortete nicht rasch genug, da blitzten seine Zähne auf. Grinsend hielt er ihr die hohle Hand hin und sagte:
»Macht hundert Bucks.«
»Was?«
»Sie kann sprechen«, bemerkte er zu den andern, bevor er sie anfauchte: »Straßenzoll! Ja, Lady, so ist es nun mal, wenn man unsern Boulevard benutzt.«
»Das – wusste ich nicht«, stammelte sie albern.
Der Junge ängstigte sie nicht. Er tat ihr eher leid, aber die Dreistigkeit irritierte sie. Da sie sich nicht rührte und seinem Blick standhielt, zischte er wütend:
»Hast du keine Ohren?«
»Ich möchte nur mit Tom sprechen, Tom Reid. Der wohnt doch hier?«
Die Gruppe rückte näher an sie heran. Ein besonders Vorwitziger öffnete die Tür des Pick–ups und stieg ein. Allmählich wurde die Lage doch ungemütlich.
»Was meinst du, was bringt die Karre?«, fragte das Gesicht vor ihrer Nase den Kollegen im Wagen.
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Etwa hundert schätze ich.«
Zur Überraschung aller neigte Jen sich vor, bis ihre Nasenspitze beinahe das Gesicht des Jungen berührte. »Du bist sein Bruder, nicht wahr?«, sagte sie. »Du riechst wie T-Rex.«
Beim Klang des Namens, den sie seit Jahren nicht mehr ausgesprochen hatte, verwandelten sich die Typen in die Gang aus dem Heim, damals in Fresno. Sie war aus der Küche auf den Hinterhof geflohen, um eine verbotene Zigarette zu rauchen. Der Schlimmste der Gang, Bates wie der Typ aus dem Film, tauchte aus dem Nichts auf, entriss ihr das kostbare Kraut und schleuderte sie zu Boden. Alle nannten ihn Psycho, weil er einer war. Man ging ihm aus dem Weg, wenn man ihm nicht aus Angst in den Arsch kroch. Sie fürchtete den brutalen Schläger, der mit vierzehn sein erstes Mädchen vergewaltigt hatte. Der Kerl gehörte in eine geschlossene Anstalt, doch das interessierte keinen von der Heimleitung. Die kassierten Kostgeld für jedes Kind, steckten die Hälfte in die eigene Tasche und brauchten den Rest, um beim miesen Fraß zu sparen. Das hatte ihr T-Rex gesteckt. Sie war allein mit dem Monster. Verzweifelt wehrte sie sich gegen seine Umarmung. Er riss ihr das Hemd auf. Sie schrie und keuchte, wusste nicht, was er mit ihr anstellen würde, aber es musste furchtbar sein. Aus Leibeskräften trat sie ihm ans Schienbein. Statt von ihr abzulassen, packte er sie fester, begann dreckig zu lachen. Während er ihren Hals mit einem Arm zu Boden drückte, dass ihr schwarz wurde vor den Augen, knöpfte er mit der andern Hand die Hose auf. Er war viel zu stark für sie. Ihre Sinne schwanden. Sie verlor fast den Verstand vor Angst, doch plötzlich wich der Druck. Aus blutunterlaufenen Augen sah sie zu, wie T-Rex den schlaffen Körper des Psychos zur Kellertreppe schleifte und mit einem wüsten Fluch hinunterstieß.
»Ist er tot?«, fragte sie benommen.
T-Rex half ihr auf die Beine und sagte nur: »Weg hier.«
Auf halbem Weg zur Hintertür der Baracken stockte er plötzlich.
»Verdammt, die Kamera!«, rief er.
Die Überwachungskamera zeichnete alles auf, was auf dem Hof passierte. Gut gegen den Vergewaltiger, schlecht für T-Rex, der möglicherweise etwas zu hart zugeschlagen
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