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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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Pritsche und hielt die Hand auf. Jen musste ihm zustimmen. Ohne peinliche Ordnung würde er hier im Chaos versinken.
    Mikes Blick wanderte über die Auslagen. »Ich leihe dir ein Pfund, wenn ich die Sachen ansehen darf.«
    Ihr Handy lag zuoberst auf dem Stapel. Mike hatte es auch erkannt, interessierte sich aber eher für die Geldbeutel.
    »Du hast meine alte Brieftasche gefunden«, sagte er nach einer Weile und hielt das Fundstück grinsend hoch. »Alles noch da.«
    Sie lösten ihre Besitztümer mit einem weiteren Pfund aus, dann zogen sie sich zurück.
    »Nicht verlieren!«, mahnte Greg sie beim Verlassen der Kartause.
    Jen fiel ein Stein vom Herzen, als sie das Handy einsteckte. »Also doch ein Pfandleiher«, lachte sie.
    »Sein Geschäftsmodell scheint mir allerdings leicht gewöhnungsbedürftig«, grinste Mike. »Die Brieftasche suche ich seit zwei Wochen.«
    Turing war fast noch ein Knabe. Mike stellte den Jungen als Pete vor. Er war eine der Stützen bei der verdeckten Beschäftigung, für die sich die Wohngemeinschaft zusammengefunden hatte. Die Vier bildeten eine aktive Zelle von ›Anonymus‹, die sich dem Kampf gegen Zensur verschrieben hatte.
    »Großbritannien imitiert nicht nur gedankenlos jeden Scheiß aus den USA«, behauptete Mike, »wir sind hier auch das am meisten ausspionierte Volk des ganzen Planeten. Schon seit Jahren sind mehr als eine Million Unschuldige in der kriminellen DNA-Datenbank gespeichert, Tausende Schulen sammeln ungestraft Fingerabdrücke ihrer Schüler, und jeden Tag werden tausend Anträge zur Überwachung von Personen und ihrem Datenverkehr bewilligt. Elektronische Kommunikation ist offenbar für die meisten Politiker nicht schützenswert. Schnüffelgesetze wie ›SOPA‹ und ›CISPA‹ in den Staaten konnten nur mühsam verhindert oder entschärft werden, aber jeder kleine Briefträger, der einen Brief öffnet, macht sich strafbar. Die Deppen erfinden laufend Gesetze unter dem Vorwand, das Copyright zu schützen oder sonst was und merken nicht, dass sie dabei die Meinungsäußerungsfreiheit und andere lebenswichtige Bürgerrechte begraben. Gegen die Atombombe ›PACTA‹ allerdings sind das alles nur dilettantische Gehversuche des Schnüffelstaates, wie du weißt.«
    Er hatte sich in Rage geredet wie früher in der Fabrik bei dem heiklen Thema.
    »›PACTA‹ könnt auch ihr kaum mehr verhindern«, stellte sie nüchtern fest. »Vielleicht bringt man einige Leute in Washington zur Vernunft, wenn die Wahrheit über den Blackout ans Licht kommt. Ich glaube, es ist am wichtigsten, die ›Black Hats‹ zu entlarven. Die haben uns doch in diese Scheiße geritten und mit ihrer Aktion ›PACTA‹ erst wieder aus dem Giftschrank geholt. «
    »Viel Glück dabei«, brummte er mit einem Blick, der zugleich Skepsis und Bewunderung ausdrückte.
    Zum Broterwerb arbeitete Mike als Marketingleiter eines Fachbuchverlags. Pete genoss freie Kost und Logis. Er war der einzige Vollzeit-Hacker der WG und, wie Jen bald feststellte, noch weniger geeignet als sie selbst, mit andern Menschen zusammenzuarbeiten. Eine enge Beziehung schien er nur mit seinem Dackel zu unterhalten. Beide beobachteten sie misstrauisch und aufmerksam, als würden sie jede ihrer Bewegungen aufzeichnen, während sie den Laptop aufklappte, sich einloggte und das Verzeichnis mit dem verschlüsselten Ordner öffnete. Passwort ändern, notierte sie in Gedanken. Pete hatte sich die Zeichenfolge mit Sicherheit gemerkt.
    »Wohin soll ich die Daten kopieren?«, fragte sie.
    Statt zu antworten, versetzte er ihr einen leichten Stoss und bedeutete ihr, aufzustehen. Der Dackel blickte sie grimmig an, bis sie den Platz zögernd seinem Herrn überließ. Mike beschwichtigte mit einer verstohlenen Handbewegung.
    »Du kannst ihm wirklich vertrauen«, meinte er später in der Küche.
    Der Gedanke, ihn mit ihrem Allerheiligsten allein zu lassen, bescherte ihr üble Kopfschmerzen. Sie schluckte die Pille und versuchte, nicht mehr daran zu denken, was der unheimliche Pete mit ihrem Schatz alles anstellen könnte. Wenn sich Mike nur nicht irrte bezüglich Petes Loyalität, war ihr letzter Gedanke, bevor der Schlaf sie übermannte.
    Sie lag auf der Bank in der Küche, als laute Rufe sie weckten. Die Stimme hörte sich weinerlich an. Pete? Der Lärm steigerte sich zu verzweifelten Hilfeschreien und Anklagen, als müsste der Junge mit ansehen, wie jemand seinen Dackel folterte. Mit lautem Knall flog eine Tür zu, dann herrschte wieder Ruhe. Sie

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