Shutdown
Linda, während sie im Aufzug tiefer in den Schlund abtauchten, wo die übernächste Generation von Computern und Netzen entstand. Kaum hatten sie den Lift verlassen, packte Linda sie am Arm und zog sie mit einer unterdrückten Verwünschung hinter den Liftschacht in Deckung.
»Verdammte Scheiße, sie sind da!«, zischte sie entsetzt. »Was tun wir jetzt?«
Jen hatte sie auch bemerkt: ein Dutzend Männer mit blauen Westen, auf denen die fetten, weißen Buchstaben ›FBI‹ prangten. Lauter Typen von der Statur eines Frank Taylor, nur jünger und grimmiger. Die Truppe stürmte die Treppe herunter auf sie zu, allen voran ein blasser Zivilist mit wirrem Haar und einem Gesicht, als müsste er im nächsten Augenblick in den gestylten Korridor kotzen.
»Wo steht dein Server?«, fragte Jen, bemüht um eine ruhige Stimme.
»Den Gang hinunter, hinter dem Lab.«
Linda stand wie gelähmt hinter dem Liftschacht und lauschte auf die schweren Schritte.
Jen zerrte sie unsanft weg. »Komm schon, nimm die Beine in die Hand! Ich versuche, sie irgendwie aufzuhalten.«
Sie schafften es bis ins Labor, bevor die Feds den Aufzug erreichten.
»Los, mach jetzt!«, befahl sie.
Ein paar Leute an den Tischen blickten verwirrt auf, dann widmeten sie sich wieder ihrer Arbeit. Linda wankte wie unter Drogen zur Tür, hinter der sich der Server befinden musste.
»Ich kann das nur von der Konsole aus ...«
»Ja, verdammt. Du hast nur wenige Minuten. Verstehst du mich?«
Sie verschwand in der unterkühlten Dunkelkammer zwischen den Regalen brummender Computer und Disks. Jens Gedanken rasten. Sie rechnete jeden Augenblick mit dem Eingreifen der Polizei. Die Lösung fiel ihr ein, als die Tür zum Korridor aufflog.
»Bitte lassen Sie alles sofort stehen und liegen, und bleiben Sie, wo sie sind«, rief der vorderste Cop, während er den Angestellten mit dem Wirrkopf beiseiteschob. »Das ist ein Einsatz des FBI.«
Jen kehrte den Feds den Rücken zu und tat so, als hätte sie nichts gehört. Scheinbar seelenruhig zog sie den PC unter dem Pult neben dem Serverraum hervor und begann sich eingehend mit dem Gerät zu befassen. So verstellte sie umständlich den Weg zu den Servern. Gleichzeitig zog sie die Aufmerksamkeit der Truppe auf sich.
»Sie da, haben Sie nicht verstanden?«, brüllte der Einsatzleiter.
Sie löste das erste Kabel. Ihre Hände zitterten dabei und Schweiß brach ihr aus allen Poren, aber sie zwang sich, weiter die Taube zu mimen. Die Feds näherten sich vorsichtig hinter ihr.
»Hände auf den Rücken, hinlegen!«
Sie reagierte erst, als sie den Lauf der Pistole zwischen den Schulterblättern spürte. Entsetzt fuhr sie herum und starrte den Polizisten mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund an. Der Computer kippte zur Seite. Sein Ventilator begann, kratzende Geräusche von sich zu geben. Sie nahm all ihren Mut zusammen, versuchte die taubstumme Köchin aus dem Heim nachzuahmen. Die Schreckenslaute klangen alles andere als überzeugend, aber die Geste saß, mit der sie Taubheit signalisierte. Sie saß so einwandfrei, dass ein Beamter sie sofort in Zeichensprache fragte, was sie mit dem Computer vorhabe. Zu ihrem Glück redete er dabei. Sie zuckte die Achseln, zeigte auf die kläglich jammernde Maschine und deutete an, Kabelverbindungen zu prüfen. Dabei gab sie sich Mühe, heftig zu atmen und zu keuchen, als drohte sie zu ersticken.
»Sie soll hier verschwinden«, sagte der Einsatzleiter zum Experten für Zeichensprache.
»Sie hat einen Schock«, gab der leise zu bedenken.
»Die Verwaltung soll sich darum kümmern.«
Mit Verwaltung meinte er offenbar den Wirrkopf, der noch blasser als zuvor am Ausgang stand. Jen wartete nicht auf die Übersetzung in Zeichensprache, denn die Bewegung der Klinke an der Tür zum Serverraum war ihr nicht entgangen. Zum ersten Mal dankte sie dem Schicksal für die harte Schule im Heim, die sie gelehrt hatte, allen möglichen Leuten überzeugendes Theater vorzuspielen. Weiche Knie hatte sie schon. So fiel es ihr leicht, den Schwächeanfall zu mimen und die ganze Truppe abzulenken. Linda schlüpfte geräuschlos und schnell aus dem Serverraum, als wäre sie nichts als ein Luftzug. Sie erfasste die Situation augenblicklich.
»Ich kümmere mich um sie«, sagte sie in sicherem Abstand zu den Cops.
Der Chef der Truppe gab sein Einverständnis mit einer unwirschen Handbewegung. Jen stützte sich schwer auf ihre Freundin, während sie betont langsam hinaus wankten. Draußen gab es kein Halten
Weitere Kostenlose Bücher