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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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wankte verschlafen ins Wohnzimmer, wo Mike den verstörten Hund tröstete. Der Laptop stand noch genauso da, wie sie ihn zurückgelassen hatte.
    »Pete?«, fragte sie, während sie die Dateien und Set-ups überprüfte.
    Mike nickte betrübt. »Tut mir leid.«
    »Ich dachte, Pete spricht nicht«, scherzte sie mit müdem Lächeln.
    Dein Ordner hat ihn vollkommen verrückt gemacht. All seine Tricks haben nicht funktioniert. Er behauptet, die Daten enthielten gar keine Information.«
    »Nur Zufallsdaten? Das kann nicht sein. Warum sollte Carmen Tate einen ganzen Folder mit Nonsens aufbewahren?«
    »Tut mir leid«, wiederholte er sichtlich betroffen. »Ich verstehe das nicht. Er löst sonst jedes Problem.«
    Einmal ist immer das erste Mal , dachte sie bitter. Sie fühlte sich, als flösse Blei in ihren Adern.
    »Kann ich irgendwo duschen?«
    Pete hatte sich mit dem vierbeinigen Freund in seine Kammer eingeschlossen, als sie einigermaßen wach ins Wohnzimmer zurückkehrte. Sie befand sich in einer Sackgasse, und Mike fühlte sich schuldig, nach seinem betroffenen Gesichtsausdruck zu urteilen.
    »Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Es war den Versuch wert«, sagte sie. »Wenn das Zeug so gut verschlüsselt ist, muss es besonders heiß sein.«
    »So siehst du das?«
    »Genauso, und ein Frühstück könnte ich auch vertragen.« Ihre Uhr zeigte halb zehn Boston-Zeit.
    Er nickte. »Gehen wir.«
    Frühstück gab es keines im Pub, aber sonst jede Menge Kohlenhydrate und Eiweiß. Während sie schweigend aß, stierte er ratlos in sein Bierglas.
    »Jetzt ist Emma mein letzter Strohhalm«, bemerkte sie schließlich, um sein Schweigen zu brechen.
    »Pech gehabt. Sie hat sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen, kann ebenso gut bei den Pinguinen sein oder im Kloster.«
    »Hast du wirklich keine Ahnung, wo sie zuletzt hingezogen ist?«
    Er schüttelte stumm den Kopf.
    »Sie ist Norwegerin, nicht wahr?«
    Mit einem Schlag hellte sich seine Miene auf. »Ich Trottel!«, rief er so laut, dass die Frau am Zapfhahn abrupt innehielt.
    Er zog hastig die alte Brieftasche hervor. Zwischen Kreditkarten, Ausweisen und Notizzetteln steckte eine Ansichtskarte. Lächelnd legte er sie auf den Tisch.
    »Das war ihr letzter Gruß. Seither herrscht Funkstille.«
    Das Foto auf der Vorderseite zeigte eine farbige Häuserzeile, die sich unter tiefblauem Himmel im Wasser spiegelte. Dahinter erhoben sich grüne Hügel.
    »Norwegen?«
    Er drehte die Karte um. Ålesund hieß die Stadt, und so lautete auch der Poststempel. Sofort schlug sie den Namen auf ihrem Handy nach. Ålesund lag am Kopf Norwegens. Die Stadt bedeckte eine Fläche von gegen hundert Quadratkilometern und zählte 44'000 Einwohner.
    »Geht’s auch etwas genauer?«, scherzte sie.
    »Lies ruhig.«
    Emma schrieb etwas umständlich und in kleiner, gedrängter Schrift über ihre Beweggründe für den Rückzug und dankte für die schöne Zeit. Das war alles.
    »Bringt dich auch nicht viel weiter, was?«
    »Wie viele Emma Bentson gibt es wohl in Ålesund?«, fragte sie sich.
    Es war immerhin eine Spur. Sie glaubte, Emma gut zu kennen. Es mutete seltsam an, dass sie in ihrem letzten Gruß keinen Hinweis auf die neue Adresse hinterließ. So etwas passte nicht zu ihr. Sie nahm die Karte in die Hand, betrachtete sie nochmals eingehend, drehte sie spielerisch in alle Richtungen, bis ihr etwas auffiel.
    »Hast du das gesehen?«, fragte sie freudestrahlend.
    Der Text enthielt einzelne Zeichen, die mit Punkten markiert waren. Sie hatte die unscheinbaren Flecke zuerst für Zufall gehalten, doch als die Karte um neunzig Grad gedreht vor ihr lag, richteten sich die Buchstaben auf einer Geraden aus und ergaben das Wort: GEIRANGER.
    »Sagt mir nichts.«
    Ihr Smartphone wusste es besser. »Geiranger ist ein Dorf in der Nähe von Ålesund.« Sie wartete, bis die Enthüllung Wirkung zeigte. »Es hat nur dreihundert Einwohner. Der Rest sind Touristen«, grinste sie.
     
    Geiranger, Norwegen
     
    Die schwarzen Sturmwolken verzogen sich gegen Osten. Der Himmel über der Speerspitze des Rokken klarte auf. Mit zufriedenem Lächeln öffnete Emma das Gatter. Die trächtige Jora drängte zuerst auf die frisch gewaschene Wiese hoch über dem Fjord. Ihr folgten die drei jüngeren Ziegen und Herrid, das ungestüme Zicklein, dessen Starrsinn und Impulsivität sie manchmal an Jen erinnerte. Ein guter Tag für die Schule. Sie durfte die Ziegen ohne Weiteres den Tag über draußen lassen.
    Nach Tagen mit Sturm, Regen und

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