Shutter Island
Schlampe. Das reicht.«
»Aber, Peter«, sagte Chuck. »Eben haben Sie gesagt, dass Sie sie nett finden.«
»Wann habe ich das gesagt?«
»Vor nicht mal einer Minute.«
»Hmm. Sie ist der letzte Dreck. Sie ist wischi-waschi.«
»Darf ich Sie etwas anderes fragen?«
»Pfui, pfui, pfui.«
»Peter?«
Peter schaute Teddy an.
»Darf ich Sie was fragen?«
»Ja, klar.«
»Ist an dem Abend in der Gruppensitzung etwas Ungewöhnliches passiert? Hat Rachel Solando etwas Unübliches gesagt oder getan?«
»Sie hat keinen Ton gesagt. War mucksmäuschenstill. Sitzt immer einfach nur da. Sie hat ihre Kinder umgebracht, wissen Sie. Drei Stück! Unglaublich, was? Was ist das für ein Mensch, der so was tut? Es gibt ganz schön kranke Menschen auf der Welt, wenn ich das sagen darf.«
»Die Menschen haben Probleme«, erklärte Chuck. »Manche haben große Probleme, manche kleine. Sie sind krank, wie Sie eben gesagt haben. Sie brauchen Hilfe.«
»Sie brauchen Gas«, sagte Peter.
»Wie bitte?«
»Gas«, sagte Peter zu Teddy. »Alle vergasen, diese Behinderten. Diese Mörder. Hat ihre eigenen Kinder umgebracht? Gehört vergast, die Alte.«
Sie schwiegen. Peter glühte, als hätte er den beiden zu einer Erleuchtung verholfen. Nach einer Weile schlug er auf den Tisch und stand auf.
»Hat mich gefreut, Sie kennen zu lernen. Ich melde mich wieder.«
Mit einem Stift kritzelte Teddy auf dem Aktendeckel herum. Peter hielt inne und sah Teddy an.
»Peter?«, sagte Teddy.
»Ja?«
»Ich wollte –«
»Könnten Sie damit aufhören?«
Mit langen, bedächtigen Bewegungen kratzte Teddy seine Anfangsbuchstaben in die Pappe. »Ich hab mich gefragt, ob –«
»Könnten Sie bitte, bitte …?«
Teddy sah auf, den Stift noch immer über die Pappe ziehend. »Was?«
»… damit aufhören ?«
»Womit?« Teddy sah Peter an, dann den Aktenordner. Er hielt mit dem Stift inne, hob eine Augenbraue.
»Ja, bitte. Damit.«
Teddy ließ den Stift auf die Akte fallen. »Besser so?«
»Vielen Dank.«
»Kennen Sie einen Patienten namens Andrew Laeddis?«
»Nein.«
»Nein? Ist hier keiner, der so heißt?«
Peter zuckte mit den Schultern. »Nicht auf Station A. Vielleicht auf Station C. Mit denen haben wir nichts zu tun. Die sind total verrückt da.«
»Gut, vielen Dank, Peter«, sagte Teddy, griff wieder zum Stift und kritzelte weiter.
Nach Peter Breene unterhielten sie sich mit Leonora Grant. Leonora war überzeugt, sie sei Mary Pickford, Chuck sei Douglas Fairbanks und Teddy Charlie Chaplin. Sie bildete sich ein, die Kantine sei ein Büro auf dem Sunset Boulevard und sie hätten sich getroffen, um den Börsengang von United Artists zu besprechen. Immer wieder streichelte sie Chuck über den Handrücken und fragte, wer Protokoll führe.
Am Ende mussten die Pfleger sie gewaltsam von Chuck trennen, während Leonora rief: » Adieu , mon chéri , Adieu .«
Auf halbem Weg durch die Cafeteria riss sie sich von den Pflegern los, stürmte zu den beiden zurück und griff nach Chucks Hand.
»Vergiss nicht, die Katze zu füttern«, sagte sie.
Chuck sah ihr in die Augen und sagte: »Notiert.«
Anschließend lernten sie Arthur Toomey kennen, der darauf bestand, Joe genannt zu werden. Joe hatte die Gruppentherapie an besagtem Abend verschlafen. Es stellte sich heraus, dass er Narkoleptiker war. Zweimal nickte er während des Gesprächs ein, beim zweiten Mal war er kaum noch wachzurütteln.
Zu dem Zeitpunkt spürte Teddy schon deutlich die Stelle hinten im Schädel. Ihm juckte die Kopfhaut, und obwohl ihm außer Breene alle Patienten Leid taten, fragte er sich doch, wie man es bloß aushielt, hier zu arbeiten.
Dann kam Trey mit einer zierlichen Blondine hereingeschlendert, deren Gesicht die Form eines Medaillons hatte. Aus ihren Augen strahlte Klarheit. Nicht die Klarheit der Verrückten, sondern die alltagstaugliche Klarheit einer intelligenten Frau in einer nicht so intelligenten Welt. Nachdem sie sich hingesetzt hatte, lächelte sie und winkte den beiden schüchtern zu.
Teddy warf einen Blick auf Cawleys Notizen: Bridget Kearns.
»Ich werd’ hier nie rauskommen«, sagte sie nach einer Weile. Sie rauchte ihre Zigarette nur bis zur Hälfte und drückte sie dann aus. Ihre Stimme war weich und zuversichtlich, und vor etwas mehr als zehn Jahren hatte sie ihren Mann mit einer Axt getötet.
»Vielleicht ist das besser so«, fügte sie hinzu.
»Warum?«, fragte Chuck. »Ich meine, entschuldigen Sie, wenn ich das sage, Miss Kearns
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