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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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angeguckt … Wissen Sie, wie man Kinder anlächelt? So hat sie mich angelächelt. Aber sie war in meinem Alter. Na gut, vielleicht ein paar Jahre älter, aber trotzdem, noch keine dreißig. Und sie hatte so viel sexuelle Erfahrung. Das konnte man an ihren Augen sehen. Sie war gerne nackt. Sie hatte am Schwanz gelutscht. Und dann fragt sie mich , ob sie ein Glas Wasser haben kann. Allein in der Küche mit mir , als ob das normal wäre!«
    Teddy schob Chuck die Akte zu, damit er Cawleys Notiz lesen konnte:
     
    Patient griff Pflegerin des Vaters mit einem zerbrochenen Glas an . Opfer schwer verletzt , bleibende Narben . Patient leugnet seine Verantwortung für die Tat .
     
    »Das war nur, weil sie mir Angst gemacht hat«, sagte Peter. »Sie wollte, dass ich mein Ding raushole, damit sie drüber lachen kann. Sie wollte nämlich sagen, dass ich nie eine Frau und eigene Kinder haben kann, dass ich nie ein Mann sein kann. Denn eigentlich, das wissen Sie ja, das sieht man mir doch an, kann ich keiner Fliege was zuleide tun. So was mache ich einfach nicht. Aber wenn ich Angst bekomme … Oh, der Kopf.«
    »Was ist mit dem Kopf?« Chucks Stimme klang beruhigend.
    »Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?«
    »Über Ihren Kopf?«
    »Über den Kopf an sich«, erwiderte Peter. »Meinen, Ihren, jeden. Im Grunde genommen ist er ein Motor. Ehrlich. Ein störanfälliger, komplizierter Motor. Besteht aus ganz vielen Teilen, Zahnrädern, Bolzen, Scharnieren und so. Und bei der Hälfte der Teile wissen wir nicht mal, wie sie funktionieren. Und wenn nur ein Zahnrad nicht mehr greift, nur ein einziges … Haben Sie schon mal darüber nachgedacht?«
    »In letzter Zeit nicht.«
    »Sollten Sie mal. Ist genau dasselbe wie beim Auto. Nichts anderes. Ein Zahnrad greift nicht richtig, ein Bolzen bricht, und das Ganze geht drunter und drüber. Wie soll man mit diesem Wissen leben?« Er tippte sich an die Schläfe. »Dass alles hier drin steckt und man nicht drankommt und keine Kontrolle darüber hat. Im Gegenteil: Es hat die Kontrolle über dich, stimmt’s? Und wenn es sich eines Tages überlegt, dass es keine Lust mehr hat?« Peter beugte sich vor, die Sehnen in seinem Hals traten hervor. »Na, dann sitzt man ganz schön in der Scheiße, was?«
    »Interessante Perspektive«, bemerkte Chuck.
    Peter lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, nun plötzlich matt. »Davor fürchte ich mich am meisten.«
    Teddy, dessen Migräne ihm eine gewisse Ahnung von der mangelnden Kontrolle über den eigenen Kopf gab, hätte Peter im Allgemeinen vielleicht zugestimmt, aber eigentlich wäre er dem kleinen Hosenscheißer am liebsten an die Gurgel gegangen, hätte ihn gegen einen der Backöfen hinten in der Kantine geschleudert und ihn nach der armen Krankenschwester gefragt, die er verstümmelt hatte.
    Weißt du überhaupt noch, wie sie hieß, Peter? Was glaubst du, wovor sie Angst gehabt hat? Hä? Vor dir! Vor dir hat sie Angst gehabt. Die Frau wollte einfach nur ihrer ehrlichen Arbeit nachgehen, ihren Lebensunterhalt verdienen. Vielleicht hatte sie Kinder und einen Mann. Vielleicht wollten sie Geld sparen, um einem der Kinder irgendwann das College ermöglichen zu können, damit es ein besseres Leben hat. Kleiner Traum vom Glück.
    Aber nein, da entscheidet dann so ’n schweinereiches, verzogenes Muttersöhnchen, dass aus dem Traum leider nichts wird. Tut mir Leid, aber das geht nicht. Für Sie kein normales Leben, Miss. Nie wieder.
    Teddy sah Peter Breene über den Tisch hinweg an. Am liebsten hätte er ihm die Faust so in die Fresse gedonnert, dass die Ärzte die Nasenknochen nie mehr wiederfänden. Er hätte dem Schnösel am liebsten so einen Schlag verpasst, dass er auf ewig in seiner hohlen Birne widerhallte.
    Stattdessen schloss er die Akte und sagte: »Sie waren am vorletzten Abend in der Gruppentherapie mit Rachel Solando. Stimmt das?«
    »Ja, das stimmt, Sir.«
    »Haben Sie gesehen, wie sie zu ihrem Zimmer gegangen ist?«
    »Nein. Die Männer sind zuerst gegangen. Sie ist noch mit Bridget Kearns, Leonora Grant und der Schwester dageblieben.«
    »Mit welcher Schwester?«
    Peter nickte. »Mit der rothaarigen. Manchmal finde ich sie nett. Sie kommt mir ganz ehrlich vor. Aber dann wieder … wissen Sie?«
    »Nein«, entgegnete Teddy mit ebenso weicher Stimme wie zuvor Chuck. »Weiß ich nicht.«
    »Aber Sie haben sie doch gesehen, oder?«
    »Klar. Wie heißt sie noch mal?«
    »Die braucht keinen Namen«, sagte Peter. »So eine, die braucht keinen Namen.

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