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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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geschlossene Gruppe auf. Sie würdigten Teddy und Chuck kaum eines Blickes. Unverwandt starrten sie geradeaus, marschierten über den Anleger zur Fähre und warteten, bis die Fracht abgeladen war.
    Auf Nachfrage zückten Teddy und Chuck ihre Dienstausweise. McPherson betrachtete sie eingehend, verglich blinzelnd Karten und Gesichter.
    »Weiß gar nicht, ob ich schon mal den Ausweis eines U. S.-Marshals gesehen habe«, sagte er.
    »Und jetzt gleich zwei«, sagte Chuck. »Ein großer Tag.«
    Lässig grinste McPherson Chuck an und warf ihm seinen Ausweis zu.
    Der Strand sah aus, als sei das Meer in der vergangenen Nacht über ihn hergefallen; überall lagen Muscheln, Treibholz, Weichtierschalen und von Aasfressern angenagte Fische. Teddy sah Müll, der vom Bostoner Innenhafen herangeschwemmt worden sein musste: Dosen, durchweichtes Papier, oben bei den Bäumen ein Nummernschild, das in der Sonne seine Zahlen verloren hatte. Die Bäume waren hauptsächlich Kiefern und Ahorn, dürr und hager, dazwischen konnte Teddy auf der Anhöhe Häuser ausmachen.
    Dolores hatte gerne in der Sonne gelegen; ihr hätte die Insel wahrscheinlich gefallen, aber Teddy spürte nur das ständige Streichen der Meeresbrise, die Warnung des Ozeans, er könne jeden Moment zuschlagen und Teddy auf seinen Grund ziehen.
    Die Pfleger kamen mit Post und Medizinkoffern vom Schiff und luden alles auf Handkarren. McPherson unterzeichnete die Liste auf einem Klemmbrett und reichte sie einem Mitglied der Besatzung. Der Fährmann sagte: »Dann legen wir jetzt ab.«
    McPherson blinzelte in die Sonne.
    »Der Sturm«, sagte der Fährmann. »Scheinbar weiß keiner, was der vorhat.«
    McPherson nickte.
    »Wir melden uns auf der Dienststelle, wenn wir abgeholt werden wollen«, sagte Teddy.
    Der Fährmann nickte. »Der Sturm«, wiederholte er.
    »Klar, sicher«, entgegnete Chuck. »Vergessen wir nicht.«
    McPherson schlug einen Weg ein, der leicht hügelan zwischen den Bäumen hindurchführte. Danach gelangten sie auf eine befestigte Straße, die den Weg wie ein grinsender Mund durchschnitt. Weiter vorne stand rechts und links je ein Haus. Das linke war schlichter, ein braunes viktorianisches Gebäude mit Mansarde, schwarzen Holzelementen und kleinen Fenstern, die wie argwöhnische Wächter wirkten. Das Haus zur Rechten war ein Tudorbau, der die kleine Anhöhe beherrschte wie eine Burg.
    Sie gingen weiter, stiegen einen steilen, mit Seegras bewachsenen Hang hinauf. Dann wurde es grüner und sanfter, das Gras kürzer. Es ging in einen herkömmlichen Rasen über, der sich mehrere hundert Meter bis vor eine scheinbar unendlich lange Mauer aus orangerotem Backstein erstreckte. Sie war drei Meter hoch und oben mit einem dünnen Draht versehen, und irgendwie ging der Anblick des Drahts Teddy nahe. Plötzlich verspürte er Mitleid mit den Menschen auf der anderen Seite, die den schmalen Draht als das erkannten, was er war, denen klar wurde, dass die Welt sie um jeden Preis ausschließen wollte. Vor der Mauer standen Männer in dunkelblauen Uniformen. Sie sahen zu Boden.
    »Gefängniswärter in einer Nervenheilanstalt«, sagte Chuck. »Seltsamer Anblick, wenn ich das sagen darf, Mr. McPherson.«
    »Es handelt sich hier um eine Hochsicherheitseinrichtung«, entgegnete McPherson. »Bei uns gelten doppelte Richtlinien: die des Amtes für psychische Gesundheit des Staates Massachusetts und die des Bundesamtes für den Strafvollzug.«
    »Verstehe«, sagte Chuck. »Aber was ich schon immer gedacht habe: Sie und Ihre Leute müssen sich beim Abendessen ’ne Menge zu erzählen haben, oder?«
    McPherson grinste und schüttelte leicht den Kopf.
    Teddy sah einen schwarzhaarigen Mann in der Uniform der Wärter, nur trug er gelbe Epauletten, einen Stehkragen und ein goldenes Abzeichen. Er war der einzige, der den Blick nicht gesenkt hielt. Eine Hand im Rücken, schritt er zwischen den Männern hindurch. Sein Gang erinnerte Teddy an die Full Colonels aus dem Krieg, Männer, für die Befehlsgewalt eine notwendige Bürde war, auferlegt nicht vom Militär, sondern von Gott persönlich. Der Mann vor der Mauer hielt ein kleines schwarzes Buch an die Brust gedrückt, nickte ihnen zu und ging dann, das schwarze Haar vom Wind zerzaust, den Hang hinunter, den sie gerade heraufgekommen waren.
    »Das war der Anstaltsdirektor«, erklärte McPherson. »Sie werden ihn später noch kennen lernen.«
    Teddy nickte und fragte sich, warum sie einander nicht jetzt vorgestellt wurden. Der Direktor

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