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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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entenähnlichen Schritten vorwärts bewegten. Es waren fast nur Männer, wenige Frauen.
    »Als die ersten Kliniker ankamen«, sagte McPherson, »war hier nur Seegras und Gestrüpp. Sie müssten mal die Bilder sehen. Aber jetzt …«
    Rechts und links neben der Klinik standen zwei identische rote Backsteinhäuser im Kolonialstil, abgesetzt mit strahlend weißem Holz. Die Fenster waren vergittert, die Scheiben durch Salz und Seeluft gelb geworden. Die Klinik selbst war von grau-schwarzem Äußeren, ihre Mauern vom Meer glatt gerieben. Sie erhob sich über fünf Stockwerke bis hin zu den von oben hinunterstarrenden Dachgauben.
    »Wurde kurz vor dem Bürgerkrieg als Bataillonshauptquartier gebaut«, erklärte McPherson. »Offenbar gab es Pläne für ein Ausbildungslager. Aber als der Krieg drohend bevorstand, hat man sich zuerst auf die Festung konzentriert und sie dann später in ein Kriegsgefangenenlager umgebaut.«
    Teddy erblickte den Turm, den er schon von der Fähre aus gesehen hatte. Seine Spitze lugte über die Wipfel auf der anderen Seite der Insel.
    »Was ist das für ein Turm?«
    »Ein alter Leuchtturm«, erwiderte McPherson. »Wurde aber seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts nicht mehr als solcher benutzt. Die Unionsarmee hat dort Beobachtungsposten aufgestellt, hab ich jedenfalls gehört, aber jetzt dient er als Aufbereitungsanlage.«
    »Für Patienten?«
    Er schüttelte den Kopf. »Für Abwasser. Sie glauben ja nicht, was alles im Wasser landet. Von der Fähre aus sieht es noch ganz sauber aus, aber so gut wie jeder Fluss in diesem Bundesstaat schwemmt seinen Müll zuerst in den Innenhafen, dann treibt er durch den mittleren Hafen und landet schließlich bei uns.«
    »Interessant«, sagte Chuck und zündete sich eine Zigarette an. Er blinzelte in die Sonne und nahm die Zigarette aus dem Mund, um ein leichtes Gähnen zu unterdrücken.
    »Hinter der Mauer da« – McPherson wies an Station B vorbei – »befindet sich das ehemalige Quartier des Kommandanten. Haben Sie auf dem Weg hierher wahrscheinlich schon gesehen. Hat damals ein Vermögen gekostet, und als Uncle Sam die Rechnung sah, wurde der Kommandant von seinen Pflichten entbunden. Sollten Sie sich mal angucken.«
    »Wer wohnt jetzt dort?«, erkundigte sich Teddy.
    »Dr. Cawley«, antwortete McPherson. »Hier gäbe es nichts, wenn Dr. Cawley nicht wäre. Und der Direktor. Die beiden haben hier etwas wirklich Einzigartiges geschaffen.«
    Sie hatten im hinteren Teil des Hofes eine Runde gedreht, wo weitere an den Füßen gefesselte Insassen unter Aufsicht von Pflegern arbeiteten. Viele schaufelten dunklen Lehm vor die rückwärtige Fassade. Eine Frau mittleren Alters mit dünnem weizenblonden Haar, schon fast kahl, starrte Teddy an und legte einen Finger auf die Lippen. Teddy sah eine dunkelrote Narbe, dick wie Lakritz, die quer über ihren Hals verlief. Die Patientin lächelte Teddy zu, den Finger auf den Lippen, und schüttelte ganz leicht den Kopf.
    »Cawley ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet«, sagte McPherson, als sie wieder zur Front der Klinik herumgingen. »Jahrgangsbester an der Johns Hopkins und in Harvard, mit zwanzig Jahren die erste Veröffentlichung über wahnhafte Krankheitsbilder. Wurde zigmal von Scotland Yard, MI 5 und dem OSS konsultiert.«
    »Warum?«, fragte Teddy.
    »Warum?«
    Teddy nickte. Die Frage schien ihm angebracht.
    »Ähm …« McPherson kam in Verlegenheit.
    »Nehmen wir mal den OSS«, sagte Teddy. »Warum sollte der einen Psychiater konsultieren?«
    »Kriegsangelegenheiten«, entgegnete McPherson.
    »Sicher«, sagte Teddy langsam, »aber was für welche?«
    »Geheime«, erwiderte McPherson, »nehme ich an.«
    »Wie geheim soll das schon sein«, sagte Chuck und warf Teddy einen nachdenklichen Blick zu, »wenn wir darüber reden?«
    McPherson blieb vor der Klinik stehen, den Fuß auf der untersten Stufe der Eingangstreppe. Er wirkte verblüfft. Kurz schaute er auf die geschwungene orangerote Mauer, dann sagte er: »Na, das können Sie ihn ja selbst fragen. Seine Besprechung müsste jetzt vorüber sein.«
    Sie gingen die Treppe hoch und betraten das Gebäude durch ein Marmorfoyer, über dem sich eine Kuppel mit Kassettendecke wölbte. Vor ihnen öffnete sich summend eine Tür, und die Männer betraten einen gewaltigen Vorraum, in dem zwei Krankenpfleger an gegenüberliegenden Schreibtischen rechts und links saßen. Am Ende schloss sich ein langer Gang an, in den man wiederum nur durch eine Tür gelangte. Beim Eingang

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