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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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zum Treppenhaus zeigten Teddy und Chuck erneut ihre Ausweise einem Pfleger. McPherson trug ihre drei Namen in ein Formular ein, während der Pfleger die Dienst- und Personalausweise überprüfte und zurückgab. Hinter ihm war ein vergitterter Raum, in dem ein Mann in einer Uniform ähnlich der des Direktors saß. An einer Wand hingen Schlüssel.
    Die drei stiegen hoch in den ersten Stock und kamen in einen Gang, der nach Holzseife roch. Der Eichenboden glänzte im hellen Licht vom großen Fenster am hinteren Ende.
    »Viele Sicherheitsvorkehrungen«, bemerkte Teddy.
    »Wir treffen alle Vorsichtsmaßnahmen«, erwiderte McPherson.
    »Die Öffentlichkeit dankt es Ihnen sicherlich, Mr. McPherson«, sagte Chuck.
    »Sie müssen wissen«, fuhr McPherson, an Teddy gewandt, fort, während sie an verschlossenen Bürotüren vorbeigingen, die auf kleinen silbernen Schildern die Namen von Ärzten trugen, »dass wir die einzige Einrichtung dieser Art in den Vereinigten Staaten sind. Wir nehmen nur hochgradig gestörte Patienten auf. Wir nehmen die, mit denen keine andere Einrichtung zurechtkommt.«
    »Gryce ist auch hier, stimmt’s?«, fragte Teddy.
    McPherson nickte. »Vincent Gryce, ja. Auf Station C.«
    »War Gryce nicht derjenige …?«, fragte Chuck Teddy.
    Teddy nickte. »Er hat seine Familie umgebracht, skalpiert und aus der Haut Hüte gebastelt.«
    Chuck nickte eifrig. »Und dann ist er damit in der Stadt herumgelaufen, nicht?«
    »Stand jedenfalls in der Zeitung.«
    Vor einer Flügeltür blieben sie stehen. Auf einem Messingschild rechts war zu lesen: DR. J. CAWLEY, Ärztlicher Direktor.
    Die Hand auf dem Knauf, drehte sich McPherson zu Teddy und Chuck um und sah sie unergründlich intensiv an.
    »In einem weniger aufgeklärten Zeitalter wäre ein Patient wie Gryce hingerichtet worden. Aber hier kann man ihn untersuchen, sein Krankheitsbild definieren und die Anomalie in seinem Gehirn, die dazu führte, dass er sich vom gesellschaftlich akzeptierten Verhalten löste, möglicherweise isolieren. Wenn uns das gelingt, werden wir vielleicht eines Tages in der Lage sein, diese Form von asozialem Verhalten zu verhindern.«
    Er schien auf eine Antwort zu warten, seine Hand lag auf dem Türknauf.
    »Schön, wenn man Träume hat«, sagte Chuck. »Finden Sie nicht?«

3
    DR. CAWLEY WAR dünn, fast schon mager. Noch kein Knochengerippe wie die Menschen, die Teddy in Dachau gesehen hatte, aber ein paar üppige Mahlzeiten hätte der Arzt durchaus vertragen können. Seine kleinen dunklen Augen lagen in tiefen Höhlen, und die Schatten darunter bedeckten das halbe Gesicht. Die hohlen Wangen waren tief eingefallen, die Haut von Altersakne vernarbt. Lippen und Nase waren so schmal wie sein Körper, das fliehende Kinn genau genommen gar nicht vorhanden. Das ihm noch verbliebene Haar war so dunkel wie seine Augen und die Ringe darunter.
    Allerdings besaß er ein zündendes Lächeln, strahlend und strotzend vor Zuversicht, das seine Pupillen von innen erleuchtete. Mit diesem Lächeln kam er jetzt, die Hände ausgestreckt, um den Schreibtisch herum auf seine Gäste zu.
    »Marshal Daniels und Marshal Aule«, sagte er. »Ich bin froh, dass Sie so schnell kommen konnten.«
    Seine Hand war trocken und glatt wie die einer Statue, fand Teddy. Cawleys Händedruck war überraschend kräftig, er quetschte die Knochen in Teddys Hand, bis selbst Teddys Unterarm schmerzte. Kurz funkelten Cawleys Augen, als wollte er sagen: Damit hast du nicht gerechnet, was? Dann wandte er sich an Chuck.
    Mit einem »Freut mich, Sie kennen zu lernen« schüttelte er Chuck die Hand. Dann verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht, und er sagte zu McPherson: »Das wäre es fürs erste, Mr. McPherson. Vielen Dank.«
    »Ja, Sir. Hat mich gefreut, die Herren«, sagte McPherson und verließ das Zimmer.
    Cawley knipste sein Lächeln wieder an, aber jetzt war es gezwungener.
    »Ist ein guter Mann, McPherson. Strebsam.«
    »Wonach?«, fragte Teddy und nahm vor dem Schreibtisch Platz.
    Cawleys Lächeln veränderte sich erneut, jetzt verzog es sich auf einer Seite. »Wie bitte?«
    »Er ist strebsam«, sagte Teddy. »Aber wonach strebt er?«
    Cawley setzte sich an den Teakholzschreibtisch und breitete die Arme aus. »Nach Arbeit. Nach einer moralischen Vereinbarkeit von Recht und Ordnung einerseits und Therapie andererseits. Es sind noch keine fünfzig Jahre her, bei so manchem sogar weniger, da war man der Meinung, dass man die Patienten, mit denen wir es hier zu tun haben,

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