Sibirische Erziehung
und kreischte angestrengt: »Sooooo groß war das Viech!« Während ich mit einem Ohr auf diesen Satz wartete, hörte ich mit dem anderen Dscheka zu, und ich fühlte mich echt gut. Als würde ich einen Spaziergang mit Freunden machen, völlig gefahrlos.
Als Mel mit seiner Geschichte fertig war, kommentierte Fima:
»Wenn du wüsstest, wie viele solcher Viecher ich von meinem Schiff aus gesehen habe, verdammt! Die Wale gehen mir so was von auf den Sack, das Meer ist voll von dem Schweinkram!«
Ich drehte mich um, um nachzusehen, was für ein Gesicht er bei diesen Worten machte, als plötzlich irgendetwas ganz nah an meinem Gesicht vorbeiflog und fast meine Wange streifte. Ein Ziegelstein. Dscheka schrie:
»Scheiße, ein Hinterhalt!«
Aus zwei Höfen rechts und links kamen ein Dutzend mit Stöcken und Messern bewaffnete Jungen auf uns zugerannt und brüllten:
»Tötet sie, tötet sie alle!«
Ich steckte die Hand in die Tasche und zückte meine Pika. Ich drückte den Knopf, mit einem Klack sprang die Klinge auf. Ich spürte, wie Mels Rücken sich gegen meinen presste, und hörte seine Stimme:
»Jetzt stech ich einen ab!«
»Idiot, ziel auf die Oberschenkel, die haben doch Zeitung unter den Jacken, die sind vorbereitet, siehst du das nicht? Die haben auf uns gewartet ...« Ich hatte den Satz noch nicht beendet, da stand mir auch schon ein großer, mit einem Holzstock bewaffneter Kerl gegenüber. Er zielte auf meinen Kopf. Ich hörte den Stock einmal an meinen Ohren vorbeizischen, dann noch mal, der Bastard war flink. Ich versuchte, mit der Klinge an ihn ranzukommen, aber ich war nicht schnell genug, seine Hiebe kamen immer präziser und öfter, ich musste höllisch aufpassen, dass ich nicht getroffen wurde. Plötzlich griff mich noch einer unerwartet von hinten an, wo Mel mir eigentlich Deckung geben sollte, und gab mir einen heftigen Stoß, der mich direkt gegen den Riesen mit dem Stock warf. Instinktiv stach ich ihn blitzschnell drei Mal in den Oberschenkel, so schnell, dass ich gleich darauf einen Schlag im Arm spürte, eine Art Stromstoß, wegen der sich lösenden Spannung. Blut tropfte auf den Schnee unter uns, der Riese rammte mir den Ellbogen ins Gesicht, aber ich stach immer weiter, bis er in den roten Schnee fiel und mit schmerzverzerrtem Gesicht sein Bein umklammerte.
Der, der mich geschubst hatte, versuchte mir von hinten das Messer in die Seite zu rammen, aber ich war dünn und meine Jacke war weit, so dass die Klinge nicht bis ins Fleisch reichte. Dafür ging die Jacke kaputt, und seine Hand steckte plötzlich mitsamt Messer in dem Loch. Ich drehte mich um und verletzte ihn mit der Pika an der Nase und über dem Auge: Sein Gesicht war sofort blutüberströmt. Er versuchte, die Hand aus meiner Jacke zu ziehen, aber sein Messer hatte sich in dem Stoff verheddert, und er musste es dort zurücklassen. Schreiend schlug er die Hände vors Gesicht und warf sich ein Stück entfernt in den Schnee.
Ich steckte zwei Finger in das Jackenloch und zog vorsichtig sein Messer heraus: ein Jagdmesser, breit und sehr scharf. Verdammte Scheiße, dachte ich, wenn er damit zugestochen hätte, wäre ich jetzt kalt. Wenn ich nach Hause komme, stelle ich vor der Ikone der Madonna eine Kerze auf.
Ich nahm das Messer in die Linke, stieg über den Körper des Feindes und lief zu Dscheka, der vom Boden aus versuchte, den Stockhieben eines kräftigen Jungen auszuweichen. Dscheka stützte sich auf den rechten Arm und wehrte mit dem linken ab, was abzuwehren ging. Ich überraschte seinen Angreifer von hinten und stieß ihm die Pika in den Oberschenkel.
Die Klinge meines Messers war schön lang und drang leicht ins Fleisch ein, bis auf den Knochen – die ideale Waffe, um einen Gegner kampfunfähig zu machen.
Zugleich durchtrennte ich ihm mit dem Jagdmesser die Sehnen in der Kniebeuge des anderen Beins. Mit einem Schmerzensschrei sank der kräftige Junge zu Boden.
Dscheka rappelte sich auf und nahm den Stock, und gemeinsam kämpften wir uns zu Mel vor, der einen gepackt hatte und ihm mit irrem Gebrüll das Messer in die Magengrube stach, während sie zu dritt versuchten, ihn mit einem Hagel von Stockhieben auf den Kopf zu stoppen. Hätte ich so viele Schläge abbekommen, wäre ich garantiert dabei zu Boden gegangen, doch dank seiner Physis hielt Mel sich noch auf den Beinen.
Ich stürzte mich mit dem Messer von hinten auf einen der Drei, der gerade mit aller Kraft auf Mels Schädel einprügeln wollte, und durchschnitt ihm die
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