Sibirische Erziehung
vielleicht ...«
Ich sah ihn verwundert an: So dämlich er war – er liebte mich von ganzem Herzen!
Je weniger ich bei mir trug, desto besser. Doch um unnütze Erklärungen zu vermeiden, nahm ich die Stange und rannte los. Sobald ich hinter den Garagen verschwunden war, warf ich sie weg. Ich war schnell, die Luft war kalt, und man atmete gut.
Auf Höhe der Kurve überquerte ich die Straße und steuerte die Lagerhallen an. Von Ferne sah ich ein Dutzend Jungen, die um eine Eisentonne herumsaßen, in der ein wärmendes Feuer brannte. Ich zählte die Stöcke und Eisenstangen, die an der Mauer lehnten, und wartete ein bisschen, um sicherzugehen, dass es nicht mehr waren. Dann kehrte ich um.
Meine Freunde hatten bereits fünf Garagen aufgebrochen. Mel hatte einen Schrank mit Gartengeräten geplündert und sich aus einer kleinen Harke eine Waffe gemacht. Sie hatte auf der einen Seite eine Klinge zum Harken und auf der anderen kleine Zinken, um etwas zusammenzuscharren, glaube ich; ich habe keinen Schimmer von Gartenbau, die Gärten in unserem Viertel dienen einzig dem Zweck, Waffen zu verstecken.
Mel hatte sich die Taschen mit Ersatzblättern für eine Kreissäge vollgestopft. Sie waren rund und hatten große Zähne.
»Was hast du damit vor? Willst du die Leute in Scheiben schneiden?«
»Nein, die nehme ich als Geschosse«, antwortete er stolz, und wie jedes Mal, wenn er vorhatte, Unheil anzurichten, sah ich in seinem heilen Auge ein Blitzen.
»Mel, das ist kein Spiel. Wehe, du triffst einen von uns, dann schiebe ich dir deine Geschosse allesamt in den Arsch.«
Er machte ein beleidigtes Gesicht und ging mit gesenktem Kopf aus der Garage.
Fima trug eine riesige Axt bei sich, was mir große Sorgen bereitete. Ich überzeugte ihn davon, sie gegen ein Stück rostfreies Stahlrohr einzutauschen:
»Schau mal, wie das glänzt«, sagte ich. »Wie ein Schwert, was?«
Ohne ein Wort griff er nach dem Rohr, die Augen voller Kampfeslust.
Auch Iwan hatte sich ein langes Beil besorgt, so eins zum Holzhacken. Ich nahm es ihm wieder ab und gab ihm stattdessen eine Eisenstange. Die beiden waren einfach zu heftig und hätten ein wahres Schlachtfest veranstaltet, man musste sie leichter bewaffnen.
Finger hatte für sich einen langen, massiven Axtstiel gefunden, Dscheka einen großen Cutter und einen schweren Holzstock.
Perfekt.
In einer der Garagen fand ich eine Kiste mit leeren Flaschen. Mir kam eine Idee: eine grauenhafte, in unserer Situation aber sehr nützliche Idee. Ich schaute in den anderen Garagen nach, in einer lag Sand, in dem die Äpfel für den Winter gelagert wurden. Ich rief Dscheka, wir nahmen ein Stück Schlauch und saugten Benzin aus den Autotanks.
Wir füllten alle Flaschen mit Benzin und Sand und verschlossen sie mit alten Lumpen, die dort herumlagen.
Und fertig waren die Molotowcocktails.
Wir hielten eine rasche Besprechung ab, und ich erläuterte in groben Zügen meinen Plan:
»Wir gehen gleich hier über die Straße bis zur Mauer um die Lagerhäuser, dann schleichen wir uns so nah wie möglich an sie ran, während sie erwarten, dass wir von der anderen Seite kommen. Wir überraschen sie mit denMolotowcocktails, und dann verprügeln wir sie. Das ist die einzige Möglichkeit, aufrecht aus diesem Viertel herauszukommen.«
Alle waren einverstanden.
Im Pulk rannten wir so schnell es ging über die Straße. An der Mauer verlangsamten wir das Tempo. Dscheka und ich schleppten die Kiste mit den Molotowcocktails.
Plötzlich hörten wir ihre Stimmen: Sie waren gleich hinter der Ecke. Wir blieben stehen. Ich wagte mich ein Stückchen vor und peilte die Lage: Sie gaben das perfekte Ziel ab. Sie standen an der Mauer, rings um das Feuer in der Tonne.
Einen kannte ich, ein Arschloch, vier Jahre älter als ich, ein geborener Schwachkopf mit dem Beinamen »Krümel«. Er hatte drei Katzen einer Nachbarin gekillt und sich eine Zeitlang vor aller Welt dieser Heldentat gerühmt, der Sadist.
Einmal badeten wir alle zusammen am Fluss, und einer aus unserem Viertel, Stas, der »das Viech« genannt wurde – ein wirklich bösartiger Junge, der sich mit der ganzen Welt anlegte –, bekam mit, wie Krümel mit seiner letzten Glanznummer prahlte. Das Viech fackelte nicht lange, er ging zu Krümel, nahm seine Hände und drückte sie so fest, dass man hörte, wie die Knochen brachen. Krümel wurde blass und verlor das Bewusstsein, seine Hände wurden lila und schwollen an wie zwei Luftballons. Seine Freunde brachten ihn fort.
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