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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist es, wenn sie alle schreien. Kapitalistische Angst um den dann ausfallenden Export. Fünfzig Millionen Tonnen Futtergetreide und Ackerbohnen führen wir aus dem Ausland ein – Schluß damit! In Usbekistan werden diese Millionen Tonnen aus dem Boden schießen. Alles nur ein böses, kapitalistisches Geschrei! Das ist die Antwort auf eine die ganze Welt verändernde Umweltkatastrophe, an der wir schuld sein werden! Warum begreift ihr das denn nicht?«
    »Unser Hemd ist mir näher als drei Meter Wasser über dem Rathaus von Hamburg, begreifst du das nicht?! Die falsche Argumentation hast du gebracht, das ist alles. Wir kämpfen für uns, nicht für deutsche Inseln …«
    Rudenko winkte in die Menge. Er rief das einzig Richtige in diesem Augenblick:
    »Die Versammlung ist aufgelöst. Geht nach Hause, meine Lieben. Nichts ändert sich. War interessant, was so alles in der Welt passieren kann. Man hört sich's an – aber wer kümmert sich um uns?«
    Die Einwohner von Lebedewka drängten aus der Stolowaja, blickten weg, als sie an der unter dem Kirschbaum wartenden Soja vorbeikamen und sprachen noch lange über diesen merkwürdigen Vortrag des noch merkwürdigeren Jugorow. Nur eine Frau sagte hämisch zu Soja:
    »Geh hinein, Hure! An die Wand hat Jugorow dein Liebchen Lew Andrejewitsch geschmettert. Ist nicht mehr so stark wie früher; saugst ihm wohl das Mark aus den Knochen?!«
    Dann lachte sie hysterisch und ging weiter. Soja spuckte ihr nach und blieb sitzen. An die Wand, dachte sie ehrfurchtsvoll. Jugorow schmettert Masuk an die Wand. Welch eine Schmach! Jetzt sind sie Feinde auf den Tod.
    Und dann trat Masuk ins Freie, blinzelte in die Sonne, sah Soja unter dem Kirschbaum sitzen und ging, ohne zu zögern, an ihr vorbei. Aber als er auf gleicher Höhe mit ihr war, kam es tief aus ihm heraus: »Geht beide weg … ein guter Rat …«
    Mit dem Stiefel kratzte er Sand auf, schleuderte ihn mit einem Fußtritt über Soja und stampfte dann zufrieden weiter.
    In der Stolowaja waren Korolew und Jugorow allein Zurückgeblieben. Korolew zupfte an der grünen Tischdecke, und man sah, daß er nach Worten suchte. Endlich fragte er:
    »Wo kommst du her, Igor Michailowitsch?«
    »Aus dem Norden. Du weißt es. Aus Tallin.«
    »Es fiel mir sofort auf, schon nach den ersten Sätzen. Ein merkwürdiges Russisch sprichst du.«
    »So wird bei uns an der Ostsee gesprochen, Korolew.«
    »Ein fremder Unterton ist drin.«
    »Wir sind ja auch erst nach dem Großen Vaterländischen Krieg zu Rußland gekommen. Meine Muttersprache ist Estnisch. Tallin hieß früher Reval … Daher kommt's.«
    »Auch Tallin käme unter Wasser, wenn der Pol schneller schmilzt?«
    »Es gäbe diese Stadt nicht mehr. Das größte klimatische Verbrechen wäre dieser Kanal, das Rückwärtsfließen der sibirischen Ströme. Die Eiszeiten kamen und gingen, diese Umweltkatastrophe jedoch wird bleiben. Für immer würde die Welt anders aussehen.«
    »Und du willst das verhindern? Du allein? Der Spezialist …«
    »Nein, ich brauche euch. Ich brauche jeden, vom Aral-See bis zum Ob! Eine große Gemeinschaft müssen wir sein – nicht deshalb, weil jeder sein Eigentum retten will, ihr hier oben euer Dorf und euer Haus oder im Süden die Nomaden ihre geliebte Steppe, ihr Kamelland, ihre unbegrenzte Freiheit … nein, weil diese Welt sich verändern wird, weil Millionen Menschen darunter leiden werden. Und schlimmer noch: Bevor die Welt zusieht, wie man sie vernichtet, wird die Welt erst Rußland vernichten. Und ich hasse das Töten, das widerliche Töten um einer Politik willen. Wir könnten alle Brüder sein, wenn wir uns ernsthaft klarmachen: Menschen sind wir. Laßt uns zusammen und miteinander leben … so einfach ist das doch.«
    »Wenn man's von dir hört, klingt es vernünftig. Aber ist es nicht in Wahrheit so, daß die Wirtschaft uns kaputt macht, die Großkonzerne, die Industrie? Daß uns der gnadenlose Kampf um Absatz und Gewinn zu vernichten droht? Ich bin bloß ein kleiner Bürgermeister am Tobol und weiß nur, was man so liest und hört … die Welt kann nicht brüderlich werden, überall wird befohlen und gehorcht, regieren die Interessen und bestimmt der Eigennutz jedes menschliche Tun – Wir alle Brüder?« Korolew breitete die Arme weit aus. »Eher fließen alle Ströme Sibiriens nach Süden, und die Erde kippt um!« Er faßte Jugorow unter und lächelte traurig. »Komm, wir haben ein gutes Essen vorbereitet. Golubzys gibt's … ganz köstliche Golubzys

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