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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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der Leute von Lebedewka verfinsterten sich, Masuk legte die riesigen geballten Fäuste auf das grüne Tischtuch und schnaufte dumpf, Goldanski trat ihm unter dem Tisch auf den Stiefel, und eine Frau aus der Menge rief: »Wer macht ein Fenster auf? Jetzt stinkt es gleich.«
    Mit dem Motorrad fuhr Jugorow vor, auf dem Gepäckträger sitzend, Soja umklammernd, denn anders ging es nicht, wollte er nicht herunterfallen. Vor der offenen Tür bremste sie, Jugorow sprang auf die Erde, und es gab schon ein großes Aufatmen der Zuschauer, als sie sahen, daß Soja wenigstens nicht mit in die Stolowaja kam, sondern ihr Rad wegschob und sich draußen unter einen Kirschbaum setzte.
    An den schweigenden Menschen vorbei ging Jugorow zum Podium, gab Korolew die Hand und nickte dem Komitee zu. Alle nickten zurück, nur Masuk nicht. Sein Blick war voll tödlichem Haß.
    »Wir begrüßen den Genossen Igor Michailowitsch«, rief Korolew zur Eröffnung in den Saal, »und freuen uns, daß er uns etwas erzählen will, von dem wir noch nichts wissen.«
    »Die Legitimation!« Natürlich kam der Zwischenruf von Großväterchen. »Was, frage ich, berechtigt ihn, vor uns zu sprechen?«
    »Die Sprengung der Maschinenhalle von Nowo Gorodjina«, sagte Jugorow in die erwartungsvolle Stille. »Genügt euch das?«
    »Wohl kaum …«, ließ sich in seinem Rücken Masuk vernehmen. »Warst du's?«
    »Beweise!« schrie Großväterchen.
    »Ich habe sie.« Korolew hob die Hand. »Bei mir hat Jugorow das Dynamit abgeholt. Ich selbst hab's ihm gegeben. Die Uhrzeit wußte ich, auf die Sekunde stimmte sie. Mit Filaret hat er gesprochen, und ich dann auch … Filaret hat auf Jugorow gewartet. Vom Syrdarja her, tief im Süden, ist er langsam zu uns gezogen, von Station zu Station … und wo er wegging, war die Planung für den Kanalbau wertlos geworden … Und nun laßt Igor Michailowitsch reden!«
    »Viel hat man euch von dem Kanal erzählt«, begann Jugorow, »und viel, das habe ich überall gehört, hat man darüber diskutiert. Zugeben muß man: Ein großes, ein noch nie gewagtes Projekt ist es. Ein Bau, wie ihn in Angriff zu nehmen noch kein Mensch sich je erkühnt hat. Ein Eingriff in die Schöpfung: Sibiriens Flüsse fließen rückwärts … Wer früher riskiert hätte, so etwas auch nur zu flüstern, den würde man in eine geschlossene Anstalt gesperrt haben. Nur ein Irrsinniger konnte so etwas denken, und irrsinnig, im wahrsten Sinne des Wortes, ist dieses Projekt denn auch. Aus den Wüsten Kasachstans und Usbekistans sollen Kornfelder und Gärten werden. Nie mehr wird Rußland abhängig sein von amerikanischem Weizen. Neue Städte werden entstehen, Arbeit gibt es für Millionen. Endgültig vorbei wird es sein, das Schlangestehen vor den Läden, das Warten auf Obst und Tomaten, auf Apfelsinen und Bananen, auf Ananas …«
    »Was ist Ananas?« rief Großväterchen sofort dazwischen. »Erklär uns Ananas … kenn' ich nicht! Kann man's essen?«
    »Ja, Vater!« antwortete Beljakow II, der Mittlere der Familie, verzweifelt an Jugorows Stelle. »Eine Frucht ist's. Wohlschmeckend, saftig.«
    »Ha! Du kennst sie, Söhnchen?!« Der Alte geriet wieder aus den Fugen. »Warum hat niemand mir davon gegeben?«
    »Gelesen habe ich von ihr …«
    »Ruhe da!« rief jemand von hinten. »Laßt Jugorow weitersprechen. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen.«
    »Dort, wo jetzt sonnenbraunes Gras und Wetterdisteln wachsen«, fuhr Jugorow fort, »wo der Sandsturm Tausende von Werst unfruchtbar macht, wo es kein Leben gibt, da werden Gärten blühen und Felder im Wind sich wiegen. Zwei Ernten wird es geben, denn Wasser ist Leben! Vom Aral-See wird sich der Wasserspiegel wieder heben. Neue und große künstliche Seen werden dafür sorgen, daß nie mehr eine Trockenheit entsteht. In zehn Jahren werden diese Seen von Fischen wimmeln … So, ihr Lieben, kann man nur das Paradies beschreiben. Und so hat man es euch erzählt. Sibiriens Flüsse machen es möglich, wenn sie rückwärts fließen. Vom Ob-Irtysch-Zusammenfluß aus, bei der Stadt Belogorje, wird man die Wasser absaugen und durch den Sib-Aral-Kanal nach Süden pumpen … Auch an euch vorbei, entlang des Tobol; eine neue Wasserstraße, zweihundert Meter breit, fünfzehn Meter tief, zweitausendfünfhundertfünfzig Kilometer lang, schiffbar vom Anfang bis zum Ende … das größte Bauwerk, das je von Menschenhand geschaffen wurde …«
    Korolew, hinter Jugorow sitzend, war zunehmend unruhiger geworden. Bei einer kleinen Pause

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