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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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den beiden Männern? Grigori Valentinowitsch! Muß ich dir sagen, wieviel Kisten in solch einem Wagen transportiert werden? Soll ich dir ausrechnen, was ihr bisher davon verbraucht habt?«
    »Zwölf Sprengstäbe könntest du auch von der Baustelle nehmen, Genosse Traktorfahrer«, sagte Korolew unversöhnlich. Auch der Name Filaret war für ihn kein Ausweis mehr. Mißtrauen gegenüber Jugorow hatte sich in ihm festgefressen, er konnte nicht genau sagen, warum; selbst Filaret hatte versucht, seine Gedanken zu verjagen – es blieb in ihm: ist er ein Russe? Zuviel spricht er mir über Deutschland, über Städte und Länder im Westen … was gehen sie uns an?! Nicht für uns kämpft er … Beweis das Gegenteil, Jugorow.
    »Das kann ich.« Jugorow nickte. »Auch den Wecker kann ich kaufen, im Magazin, Kupferdraht ist ebenfalls schnell zu haben – und dann setze ich mich in die Sonne vor mein Haus, reibe mir zufrieden die Hände und bastele meine Sprengsätze zusammen, mit denen dann das Magazin, die Vorratslager und Kühlhäuser in der Luft verpuffen. So einfach ist das doch, nicht wahr, Korolew?«
    »Was ist mit den Vorratslagern?« fragte Schagin, ehe Korolew antworten konnte.
    »Der gesamte Vorrat für den Winter wurde geliefert. Bis unters Dach sind alle Hallen voll. Die Küche soll vergrößert werden; noch hundert neue Arbeiter erwartet man vor Einbruch des Frostes.«
    »Noch hundert mehr?« Korolew faßte sich an den Kopf. »Nicht gewarnt hat sie die Dammsprengung? Die Vernichtung des Materiallagers?«
    »Alles ist neu geschickt worden. Neue Traktoren und Bagger und Planierraupen. Sogar zwei Straßenhobel haben sie gebracht. Mit noch mehr Einsatz wollen sie die verlorene Zeit einholen.« Jugorow lächelte breit. »Und sie schaffen es. Genossen; wir haben ja keinen einzigen Krümel Dynamit mehr.«
    »Was soll gesprengt werden?« fragte Schagin.
    »Das, dessen Verlust ihnen am wehesten tut: die Lebensmittellager.« Jugorow wandte sich an den noch immer abweisenden Korolew: »Wann kommt der Winter hier?«
    »In diesem Jahr später als sonst. Plötzlich kommt er, über Nacht, als ziehe man an einer Leine, und der Himmel öffnet sich. Zwei Tage Sturm, die Bäume biegen sich wie Halme, dann schneit es, tagelang. In vier Wochen kann das sein – wer weiß das in Sibirien so genau. Noch immer überrascht uns dieses Land.«
    »In vier Wochen? Lassen wir sie noch eine Woche fröhlich essen, dann sprengen wir alle Magazine. Korolew, verrechnet habe ich mich: Ich brauche zwanzig Stäbe!«
    »Und wenn sie dann nichts mehr zu fressen haben, fallen sie über uns her wie die Ratten! Wer wird verhungern? Wir! Spreng lieber das Kesselhaus in die Luft, die Elektrozentrale, die Baracken, alle, alle … Hundert Arbeiter mehr? Dann werden's fast vierhundert Menschen sein! Das sind vierhundert zuviel! Will ihnen die Nahrung nehmen, damit sie uns auffressen! Umgekehrt ist's richtig: Weniger Menschen essen weniger … Jag deine Genossen Arbeiter in den Himmel!«
    »Menschen ersetzen kann man jederzeit, in jeder Zahl; Rußland hat darin Erfahrung seit Jahrhunderten. Aber zweihundert Rinderhälften und hundertfünfzig Schweine zu ersetzen – unlösbar fast ist das Problem für die Beamten. Wißt ihr, wie viele Behörden man deswegen beschäftigt? Wieviel Formulare nötig sind, wieviel Stempel, wieviel Hin- und Rückfragen? Wie lange das Papier an jeder Stelle erst mal geruhsam auf einem Schreibtisch liegt?« Jugorow sprang von der Eckbank auf und ging an Korolew vorbei zur Tür. »Nichts mehr ist also da von dem ganzen Wagen Sprengmaterial. Gestohlen wird es sein. Weiß Filaret das?«
    »Zwanzig Stangen, Igor Michailowitsch?« fragte Schagin, der Pope.
    »Sie genügen.«
    Korolew blinzelte dem Popen zu, aber Schagin sprach unbeirrt weiter. »Hol sie dir bei mir …«
    »Bei dir, Väterchen Kyrill Vadimowitsch?«
    »Weißt du ein besseres Versteck als die Kirche?«
    »Verloren!« sagte Korolew dumpf. »Verloren sind wir jetzt. Was ist in dich gefahren, Schagin?«
    »Ja, schon seit langer Zeit frage ich mich dies! Was ist in uns gefahren? Wo bleibt das Gewissen bei dem, was wir tun? Dynamit holte man aus der Kirche, aus dem Haus Gottes, um damit Menschen zu töten. War das vielleicht gottgefällig?« Schagin faltete die Hände. »Ich habe Gott angefleht, uns zu verzeihen. Im Gebet habe ich ihm vorgeworfen und mir als Entschuldigung eingeredet, daß ja auch ER grausam sein konnte, wenn es nötig war: in Jericho, bei Sodom und Gomorrha, mit

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