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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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du, das ich je gesehen habe.«
    »In zehn Jahren werde ich dreißig Jahre älter aussehen.«
    »In zehn Jahren werde ich dich einsperren müssen, um dich vor anderen Männern zu schützen.«
    »Und wer kümmert sich dann um die Kinder?«
    »Um welche Kinder?«
    »Um unsere. Drei Kinder will ich haben, Igor: zwei Mädchen und einen Sohn. Mindestens drei Kinder … Und wo sie auch geboren werden, ob auf Hawaii oder im australischen Busch – sie werden russisch sprechen.« Sie wandte sich vom Spiegel ab und kam auf Jugorow zu. »Wir gehen weg, Igor? Wir werden Rußland nie wiedersehen?«
    »Ich fürchte – ja.«
    »Warum, Igor, warum? In Leningrad könnten wir doch leben. Oder in Jakutsk. Oder in Alma Ata. In Taschkent … Rußland ist ja so groß. Platz genug gibt es für uns zwei.«
    »Wenn's Zeit ist, werde ich es dir erklären, Walja.« Mit Angst dachte er schon jetzt an diese Stunde, an diesen Augenblick der vollen Wahrheit – oder an die Festschreibung der Lüge, mit der er fortan leben mußte mit nochmals einem anderen Namen und einer anderen Lebensgeschichte. Er würde nie wieder, wer er war. Immer ein Geschöpf der Täuschung und immer auf der Flucht vor der Wahrheit. »Wir müssen zurück zum Tisch.«
    »Ich kann nichts essen. Im Hals würgt es mir.«
    »Beibringen soll ich dir, wie man kaltblütig wird«, sagte er und legte den Arm um ihre Schulter. »Lektion eins: Nie zeigen, daß man Angst hat. Lektion zwei: Alle Kraft zusammennehmen, um das zu tun, was getan werden muß. – Heute heißt das: zurück zum Tisch und essen.«
    Sie nickte, schluckte mehrmals, als stecke ihr das Hähnchen schon im Hals, folgte Igor hinüber in das Zimmer, setzte sich, sagte: »Verzeihung, Väterchen« und aß tapfer ein Stückchen Fleisch.
    Jugorow nickte ihr verstohlen zu, und sie lächelte und würgte an dem Bissen und zeigte sich als gelehrige Schülerin bei der Lektion, kaltblütig zu werden.
    Mit Nasarow ging es aufwärts. Er besaß das, was man im Volksmund ›ein gutes Heilfleisch‹ nannte, erholte sich schnell vom Blutverlust und von der Operation, ging – gestützt auf Leutnant Mamjelew – nahe dem Hospital in der Sonne spazieren und sagte nach zehn Tagen zu Walja:
    »Können wir nicht ein Abkommen treffen, Genossin Ärztin? Sie entlassen mich als gesund, und ich übernehme dafür die Verantwortung.«
    »Das muß ich schriftlich haben, Genosse Major«, antwortete Walja steif.
    »Sofort! Diktieren Sie den Text.«
    »Wenn es zu einem Rückfall kommt, sind Sie der Schuldige, ich nicht mehr.«
    »Was soll denn da zurückfallen?« rief Nasarow ironisch. »Man wird doch nicht ein Stückchen Messer übersehen haben.«
    »Bei zu früher Belastung kann es erneut zu inneren Blutungen kommen.« Walja setzte sich an ihren Schreibtisch und formulierte die Erklärung. »Eine Vene war verletzt. Ich mußte eine Gefäßnaht machen … meine erste Gefäßnaht …«
    »Du lieber Himmel, das erfahre ich erst jetzt?« Nasarows Stimme schwoll an. »Sie hätten mich zu Tode operieren können!«
    »Nein. Sie waren praktisch tot, als Sie auf dem Tisch lagen.«
    »Meine Lebensretterin –«
    »Mag sein. Aber nennen Sie mich nicht so, Nasarow. Kein Ehrenname ist's im Zusammenhang mit Ihnen.«
    »Sie hassen mich. Oh, wie Sie mich hassen! Warum eigentlich?«
    »Als Mensch wollen Sie behandelt werden und sind unmenschlich. Die Geiseln …«
    »Zu Recht sind sie Geiseln. Mehr wissen sie, als sie beschwören. Bekannt ist ihnen die Terrorbande in Lebedewka. Walja Borisowna, wollen Sie abwarten, bis auch Sie in die Luft fliegen, Ihr Vater, Ihre Mutter, Jugorow – um den wär's nicht einmal schade –, wir alle? Warum ist's so ruhig hier? Die Antwort, Genossin Ärztin: Der nächste große Schlag ist bereits vorbereitet. Nur auf einen Knopf braucht man noch zu drücken oder die Zeit einzustellen … Ihr schlaft ja alle. Schlaft! Und deshalb will ich zurück zu meiner Truppe.«
    »In einer Stunde können Sie gehen, Major. Unterschreiben Sie diese Erklärung!« Sie schob ihm das Papier zu, Nasarow las es gründlich und nickte.
    »So ist es richtig. Auf eigene Verantwortung. Keine Forderungen für Schadenersatz. Wurde belehrt über das Risiko der vorzeitigen Entlassung … Hervorragend, Genossin Ärztin. Das unterschreibe ich.«
    Mit einem schönen Schwung setzte er seinen Namen unter die Erklärung und schob das Papier Walja wieder zu. »Warum erst in einer Stunde?«
    »Noch einmal röntgen möchte ich Sie, Major Nasarow.«
    »Ihre Gründlichkeit

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