Sibirisches Roulette
Hirn eines Hundes aus?«
»Und die vier Posten?«
»Ein großes Rätsel wird das. Die sind weg. Verschwunden mit den Geiseln, welche die Verwirrung im Lager zur Flucht ausgenutzt haben. Überzeugt wird man sein, daß sie einfach mitgeflüchtet sind. Deserteure. Wäre das etwas Neues? Haben sich abgesprochen, wollten schon immer weg, und nun war die Gelegenheit gekommen. Man kann doch so was glauben, Igor Michailowitsch.«
»Sprecht erst mit Korolew«, sagte Jugorow abweisend. »Keine Entscheidung heute nacht, liebe Freunde. Man braucht Zeit und ein Zwiegespräch mit der Seele, wenn man weiß, daß einige Hundchen sterben müssen. So einfach ist das nicht …«
Nach dem dritten Glas des Satanswodkas verließen Krasnikow und Meteljew die Wohnung Jugorows. Ein wenig schwankten sie, spürten aber so etwas wie Stolz, weil Jugorow ihnen zum Abschied gesagt hatte:
»Liebe Nachbarn, drei Gläschen habt ihr verdrückt – und kriecht nicht herum. Das ist eine große Leistung!«
Man muß das als Auszeichnung betrachten, als besondere Ehrung.
»Was sagst du über Jugorow?« fragte Meteljew, nachdem sie in ihrem Zimmer angekommen waren. »Ein merkwürdiger Mensch, sag' ich dir.«
»Ein normaler Mensch, Babrak Awdejewitsch. Hängt sein Herz an Hunde, und grauenvoll wird's ihm, wenn Menschen sterben; hat ein großes Maul und fühlt sich als Held im Bett mit Walja Borisowna – in Wirklichkeit ist er ein kleiner, feiger Wicht.«
»Daran wird's scheitern. Dein ganzer Plan hängt nur an Jugorow.«
»Morgen mittag wird er eine Nachricht aus Lebedewka bekommen. Von Korolew, der ihm sagen läßt: Wenn Beljakow erschossen wird, kommt sein Blut über dich! Du hast verhindert, daß er leben kann! – Jugorow, was wird er tun, klug wie er ist, aber auch feig? Zu uns kommen wird er und sagen: ›Genossen, überzeugt bin ich. Beljakow muß befreit werden …‹ Um zehn Rubel wette ich mit dir.«
»Nun gut.« Meteljew steckte sich noch eine Papirossa an und rauchte ziemlich hastig. »Nehmen wir an, es wird so, wie du sagst: Die Geiseln sind frei. Beljakow ist gerettet. Nasarow hat eine beschämende Niederlage erlitten, denn laut Befehl aus Moskau darf er nichts unternehmen gegen das Dorf. Dadurch erringen wir das Vertrauen der Leute von Lebedewka und werden – vor allem, weil Beljakow uns sein Leben verdankt – ihre Freunde. Alle fühlen sich uns verpflichtet. Schön und gut das Ganze – aber vollkommen vergessen haben wir den ›Spezialisten‹!«
»Ein guter Schütze bist du, Meteljew«, antwortete Krasnikow, saß mit glasigen Augen im Korbsessel und rülpste ein paarmal, »kannst lautlos einen umbringen, warst der Beste bei den SPEZNAS – nur denken kannst du nicht. Das weiß ich auch, daß Beljakow für uns uninteressant ist, daß uns die Geiseln, die Hunde und Jugorow nichts angehen. Aber hast du unser Funkgespräch mit General Tjunin vergessen? Er hat es uns ganz klar und eindeutig befohlen: Wir sollen die Dorfbewohner glauben machen, daß wir zu ihnen gehören. Und wenn sie Vertrauen zu uns gefaßt haben, stehen wir eines Tages dem großen Schatten gegenüber; ganz von selbst wird sich das ergeben. Tjunin können wir dann melden: Ziel erreicht!«
»Welch ein komplizierter Umweg!« Meteljew sog an seiner Papirossa, als sauge er mit einem Strohhalm in einem Glas. »Wär's nicht der geradeste Weg, wenn wir in Nowo Gorodjina eine Sprengung vornehmen? In den ›Spezialisten‹ versetz dich mal: Er wartet, bis er wieder sprengen kann, jetzt massiv gehindert durch die Hunde – und plötzlich geht doch im Lager eine Bombe hoch. Wer war das? Gibt's noch einen anderen Einzelkämpfer? Nervös wird er werden, herumforschen, aus seinem Versteck kriechen. Unmöglich ist's, denkt er, daß noch ein anderer seine Aufgabe übernommen hat … Nervöse Gegner sind besiegte Gegner, sie wissen es nur nicht.«
»Babrak Awdejewitsch, die Idee ist gut! Gratuliere!« Krasnikow atmete schwer. Der Wodka aus Lebedewka brannte in seinem Magen, sauer stieß er auf. »Das wird der zweite Akt. Die doppelte Chance ist's, ihn einzufangen. Wir fahren morgen sofort nach dem Mittagessen zu Korolew!«
Das gleiche dachte auch Jugorow. Nur fuhr er schon am frühen Morgen …
Wie Zufälle immer zur rechten Zeit kommen! Verwunderlich ist das nicht, nicht rätselhaft, nicht schicksalträchtig – nein, lächerlich ist das. Bei Jugorow jedenfalls war es so: Fünf Minuten nachdem Maja Petrowna mit dem deutschen Kübelwagen das Lager verlassen hatte, fuhr er mit
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