Sibirisches Roulette
die verstehen nur eine Sprache«, sagte Jugorow langsam und betont. »Ob nun Muschik oder Major, die Auswahl ist groß. Eine Frage, Nasarow: Wer hat die Geiseln geschlagen? Wer hat Svetlana Victorowna die Striemen auf die Brüste gesetzt? Nicht mit einer Peitsche, die war nicht vorhanden, aber mit einem biegsamen Stock, der schön von einem Körper zurückfedert.«
»Zur Hölle mit dir!« keuchte Nasarow.
»Eine gute Stunde ist's für uns, Genosse Major. Maja Petrowna muß schweigen über alles, was sie hier sieht. Du mußt schweigen, mein großes Schweinchen, denn ein betrogener Ehemann ist kein freundlicher Nachbar mehr – und ein Offizier, dabei ertappt, eine verheiratete Frau zu vögeln, wird viel Kummer haben mit seinen Vorgesetzten; das weißt du ganz genau. Und eine Uniform zwischen den Beinen einer Frau trägt nicht zur Ehre bei. Man zieht sie besser vorher aus, Major Nasarow; vor allem Sie, dem die Uniform ja heilig ist. Wir werden also alle über diesen schönen Morgen schweigen müssen …«
Mit einem dumpfen Laut sprang Nasarow zur Seite, dorthin, wo seine Pistole im Gras lag, aber er erreichte sie nicht, die Überraschung gelang nicht: Ein Peitschenschlag trieb ihn zurück.
»Können wir weiter miteinander reden?« fragte Jugorow freundlich, als Nasarow schwer atmend, in hilfloser Wut, einen Schritt von seiner Waffe entfernt stehenblieb. Der Peitschenhieb brannte in seinem Nacken; eine Schmach, die ihm das Herz stocken ließ. Maja Petrowna lag noch immer mit dem Gesicht auf der Decke, regungslos, als sei sie vor Schreck gestorben. Nur das Zittern ihrer Schultern verriet, daß sie noch lebte. Nasarow starrte auf sie hinunter.
»Eine Falle war's«, sagte er tonlos. »In eine Falle habt ihr mich gelockt, eine hundsgemeine Falle …«
»Beleidige keinen Hund, Nasarow. Was bist du gegen einen Hund? Das Erbärmlichste und Gemeinste unter Gottes Himmel! Eine Falle? Nur du kannst so denken. Nur du. Traust deinem Liebchen so was zu? Nicht jeder ist so hinterhältig wie du … Maja Petrowna hat nur vergessen, daß man mit einem Kübelwagen auch in den Wald fahren kann. Brav hat sie ihn am Rand abgestellt. Macht das einen, der zufällig vorüberkommt, nicht neugierig?«
»Idiotin!« sagte Nasarow grob, holte mit dem Fuß aus und gab Maja einen Tritt in die Seite. Sie stöhnte auf, verkrallte vor Schmerz die Finger in die Decke, aber sie rührte sich nicht.
Jugorow starrte Nasarow fassungslos an; es war ihm unbegreiflich, daß ein Mann eine Frau treten kann, die noch vor wenigen Minuten seufzend in seinen Armen gelegen hatte. Eine Geliebte, der er gerade eben erst zärtliche und geile Worte in das vor Leidenschaft zerfließende Gesicht stammelte. Tritt sie wie ein Tier, das man abwehrt.
»Ja, so bist du!« sagte Jugorow langsam. »So ein Schwein bist du. Wie sollte man dich anders behandeln?«
Wieder zischte die Peitschenschnur hoch, klatschte Nasarow mitten durchs Gesicht und ließ eine Strieme zurück, die sich sofort mit Blut füllte. Nasarow taumelte, riß beide Hände vor sein Gesicht und brüllte auf.
»Was … was willst du sagen?« schrie er durch seine Hände.
»So vieles, Nasarow. Und wenn's verbunden ist mit einem Peitschenschlag, überlebst du's nicht.«
»Das wagst du auf keinen Fall«, stöhnte Nasarow weiter.
»Wo gibt es einen Zeugen? Wer hat gesehen, daß ein Major mit einer Peitsche erschlagen wurde? Na, so etwas! Mit einer Peitsche. Genau wie früher die hohen Herren ihre armen Muschiks prügelten, bis ihnen das Fleisch in Fetzen von den Knochen hing? Das heute noch? Bei einem Major der Roten Armee? Rätsel über Rätsel … Warum hat man ihn mit einer Peitsche erschlagen? Wofür? War doch ein guter Mensch, ein lobenswerter Soldat, ein gefürchteter, aber gerechter Vorgesetzter … so wird man sagen, denn wer kennt den anderen Nasarow? Wer weiß, daß die Gerechtigkeit es war, die zugeschlagen hat? Falsche Zeugen beim Tod von Kulinitsch … keine Zeugen beim Tod von Nasarow …«
»Maja Petrowna wird meine Zeugin sein!« schrie Nasarow.
»Die Getretene? Ein Weibchen, das seinen Ehemann betrügt? Auf einer Decke im Gebüsch? Nasarow, viel bist du, aber kein Idiot.«
Jugorow ließ die Peitsche knallen, und Nasarow zuckte heftig zusammen, obwohl ihn kein Schlag getroffen hatte. »Mord ist das!« rief er. »Das ist Mord!«
»Was ist's bei Beljakow morgen mittag? Müssen wir noch darüber reden? Nasarow, aufgepaßt, ich zähle auf: Das ist für Svetlana Victorowna …«
Die lederne
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