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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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daß es ein Abschied sein könnte. Ein Abschied für immer. Es war, als ahne Jugorow etwas, das er nicht aussprach. Sie küßten sich auf die Wangen, und Korolew dachte mit Wehmut und Achtung: Wer du auch bist, Jugorow, wie du auch wirklich heißt, woher du auch kommst – einer von uns bist du geworden. Man spürt's, jetzt, wo es ein Abschied für alle Zeiten werden kann. Igor Michailowitsch, paß auf dich auf, sei der Schnellere, der Stärkere, der Klügere. Wir brauchen dich noch. Gott schütze dich!
    Jugorow fuhr den Weg zu Trofimow, den Soja ihm gezeigt hatte und den er auch mit Walja gefahren war; durch einen Buschpfad, der in einem Urwald zu enden schien, dann über einen nassen, schon zum Sumpf gehörenden Weg, den nur ein Geländewagen bezwingen konnte. Nie wäre ein Fremder hier weitergefahren, aus Angst, nicht mehr zurückzukommen. Auch Suchtrupps des Militärs, die nach der Befreiung der Geiseln das Gelände von Lebedewka durchkämmen würden, kehrten hier bestimmt um. Wirklich, das Schwarze Haus war der sicherste Platz.
    Trofimow saß wie immer unrasiert und mit einem Atem voll sauren Alkohols am Tisch, trank mit ekelverzerrtem Gesicht den Tee, den ihm Soja hingestellt hatte, knabberte an einem Kanten Brot, schnitt von einer Blutwurst dicke Stücke ab, schob sie in den Mund und betrachtete dabei seine Tochter. In einem dünnen Morgenmantel stand sie da – was man doch alles kaufen kann in der Stadt, so einen Fummel, leicht, wie aus Federchen gemacht, und dazu Pantöffelchen, mit goldenen Mustern bestickt – und zerquetschte in einem großen Topf Kartoffeln mit einer Holzkeule. Zusatzfutter war es für die beiden Schweinchen, den lebenden Vorrat für den langen Winter.
    Nie wird sie einen Mann bekommen, dachte er traurig. Nie, so schön sie auch ist. Kein Enkelchen wird mir auf die Knie krabbeln oder auf meiner Schulter reiten. Hopp, Pferdchen, hopp … durch den Garten, um die Obstbäume herum, am Ufer des Sees entlang. Hopp, Pferdchen, hopp! Nichts da … Die Trofimows werden aussterben … Bin ich daran schuld? Leb' ich schon zu lange? Wer zieht denn hier ins Haus, wenn ich noch da bin?! Sojanka, mein Liebling, geh wieder in die Stadt … such dir dort dein Glück. Hier findest du's nie …
    Das Motorengeräusch und gleich darauf ein Bremsen scheuchte Trofimow hoch. Er stürzte zur Wand, riß sein Gewehr vom Haken und lud es durch. Soja warf beide Arme hoch, als sie durchs Fenster nach draußen blickte.
    »Igor ist's!« rief sie und rannte zur Tür. »Igor Michailowitsch! Väterchen, er kommt zu uns …« Ganz außer sich war sie vor Freude. Trofimow legte sein Gewehr quer über den Tisch und setzte sich wieder. So ein Schwiegersöhnchen wär der richtige – aber nichts ist damit. Den hat sich schon Walja in die Federn geholt, und Soja umarmt sie auch noch dafür. Ist ein kleines Rindvieh, mein Töchterchen. Nie aufgeben darf man im Leben, wenn man ein Ziel hat. Sieh mich an! Zwei Jahre habe ich gewartet, bis deine Mutter ja zu mir sagte. Zwei Jahre lang bin ich ihr nachgelaufen wie ein Hündchen, bis sie es leid war … Ausdauer, Soja, das ist es, was man haben muß. Sich nicht abschütteln lassen. Nie beiseitedrücken lassen. Lerne von deinem alten, verhaßten Vater …
    Vor der Tür fiel Soja mit einem Jubellaut Jugorow um den Hals. »Wie schön, daß du kommst!« rief sie, hing an seinen Wangen und küßte ihn immer wieder. »Wie schön! Jetzt ist es wie ein Feiertag für mich … Komm herein … komm … Väterchen wartet auch auf dich. Wo ist Walja? Ist sie nicht mitgekommen?«
    Bist doch eine dämliche Kuh, dachte Trofimow. Lernst es nie. Küß ihn lieber richtig ab und zeig ihm, was du unter diesem dünnen Fummel hast! Sehen lassen kann sich das; sogar ein alter Vater betrachtet so etwas gern.
    Sie kamen ins Zimmer, Arm in Arm, und Trofimow seufzte bei diesem schönen Anblick.
    »Ah! Blutwurst gibt's«, rief Jugorow, gab dem Alten die Hand und setzte sich neben ihn. »Und Tee. Darf man mitessen, ich bin noch nüchtern.«
    »Bedien dich!« Trofimow machte eine große Geste des Einladens. »Aber den Tee rühr nicht an. Ein Sauzeug ist er. Teufelspisse! Jeden Morgen muß ich ihn trinken. Da, mein Töchterchen, zwingt mich dazu. Einmal zerreißt mir's den Bauch, das wette ich, Soja!« Trofimows Stimme hob sich in einen helleren Klang. Was er jetzt rief, klang wie eine Fanfare: »Wir haben einen lieben Gast, der gern einen Wodka trinkt!«
    »Der liebe Gast ißt Blutwurst und trinkt Tee«, rief

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