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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Victorowna …«
    »Ja. Sie hat man am meisten gequält, hat ihr die Brüste blutig geschlagen. Nasarow dachte, sie sei die Schwächste, aber kein Ton ist über ihre Lippen gekommen. Sie hätte euch vernichten können.«
    »Weiß sie es jetzt, das mit Masuk? Daß er verschwunden ist?«
    »Walja Borisowna hat es ihr gesagt.«
    »Und wie hat sie es aufgenommen?«
    »Geschrien hat sie: Soja ist die Mörderin! Ins Moor hat sie ihn geworfen. Werft sie hinterher …«
    »Und so ein Saustück soll ich verstecken unter meinem Dach?« brüllte Trofimow. »Soll kommen, ha, laßt sie nur kommen … den Hals drücke ich ihr zu. Vor Soja wird sie niederknien und um Verzeihung bitten … Hier wird sie knien, mitten im Zimmer, und alle drumherum, und winseln soll sie … Was hat man meinem Töchterchen nicht alles angetan?!«
    »Sie sollen kommen«, sagte Soja ruhig, als Trofimow keuchend Atem holte. »Wir nehmen sie auf.«
    »Verrückt ist sie!« tobte der Alte. »Gibt's denn nur noch Idioten auf der Welt?«
    »Verfolgten zu helfen, ist Christenpflicht, Vater.«
    »Ich trete aus der Kirche aus! In einer Stunde bin ich bei dem Popen! Mein Haus war bisher verflucht, und so soll es bleiben! Wie ruhig habe ich mit diesem Fluch gelebt. Konnte tun und lassen, was ich wollte. Kein Arsch stank mir die Bude voll, nur mein eigener. Keinen brauchte ich zu fragen, keiner konnte mir Befehle geben, die freiesten Menschen auf der Welt waren wir. Frei wie ein Adler!«
    »Ja, wie ein Adler …« Soja sah Jugorow mit weiten Augen an. »Wie ein Adler …«, wiederholte sie.
    Jugorow erwiderte ihren Blick, noch fragend, was sie wissen könnte. »Du liebst die Adler?«
    »Für mich sind es die schönsten Tiere, voll Kraft und Mut.« Und etwas leiser fügte sie hinzu, den Blick nicht von Jugorow lassend: »Adler ruft Wolf …«
    Jugorow atmete tief durch. Diese einzige Nacht, in der sie heimlich in das Zimmer schlich und meinen Rucksack untersuchte … gelauscht hat sie später und mein Gespräch mit Filaret gehört. Adler ruft Wolf … Wenn sie so wäre, wie alle von ihr denken, hätte sie mich jetzt in der Hand. Lautlos verschwinden müßte ich, wie ich gekommen bin – nur hätte ich jetzt Krasnikow und Meteljew als Verfolger hinter mir. Zum erstenmal wüßte man, wer ich bin und wie ich aussehe. Die große Jagd könnte beginnen. Aber auch Soja hat geschwiegen.
    »Bereitet alles vor«, sagte er und wandte sich ab. »Wo sollen die zehn Geiseln bleiben? In der Scheune? Die Frauen hier im Haus?«
    »Häng sie in die Bäume!« schrie Trofimow. »Die Scheune ist voll! Schlafen sollen sie in meinem Heu? Meine Tiere wollt ihr vergiften?«
    »Wann kommen sie?« fragte Soja, ohne auf das Gebrüll des Alten zu hören.
    »Das weiß ich nicht. Zwei Uhr morgens kann's werden.«
    »Wer bringt sie?«
    »Ein kleiner Lastwagen der Brigade mit zwei Geologen. Krasnikow und Meteljew.«
    »Und wo bist du?«
    »Ich muß mich um die Hunde kümmern.«
    »Die Hunde? Was willst du mit den Hunden?«
    »Sie sind die Hauptsache. Sie ›befreien‹ die Geiseln, indem sie durch das Militärlager jagen.«
    »Und das soll Nasarow verwirren?!«
    »Nasarow wird in dieser Nacht der geringste Gegner sein. Gefährlicher sind Krasnikow und Meteljew.«
    »Aber die helfen doch … fahren den Wagen … liefern die Geiseln bei uns ab …«
    »Es war ihr Plan, diese Befreiung … ein fabelhafter, hinterhältiger Plan. Den großen Unbekannten suchen sie und ahnen, daß man in Lebedewka weiß, wer er ist. Deshalb befreien sie die Geiseln; wer wird da nicht dankbar sein? In jedem Haus wird man sie als Freunde empfangen. Vertrauen wird man ihnen. Und so hoffen sie, auch den großen Unbekannten zu treffen.«
    »Und was macht der große Unbekannte?«
    »Für eure Heimat arbeitet er. Solange sie ihn suchen, ist er sicher, denn wo sie hingehen, laufen sie gegen Gummiwände.«
    »Igor Michailowitsch, auch Adler schießt man ab …«
    »Ja, und die Trofimows!« schrie der Alte. Aufmerksam hatte er zugehört, man soll bloß nicht denken, der Wodka habe einen Blöden aus ihm gemacht. »Soja, himmele ihn nicht an, als ob er nackt wär'. Ab heute nacht weiß der Gegner, daß es uns gibt … das Schwarze Haus, das niemals einer gefunden hätte. Jetzt kennt man es, kennt den Weg dorthin … Jugorow, oh, der Teufel soll's holen, jetzt begreif ich es: Jugorow hat uns verraten! Plötzlich gibt es uns auf der Welt, und die Welt wird uns vernichten.«
    »So ist es wirklich«, sagte Soja mit weiten, harten Augen.

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