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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Walja. Überleben in der Wildnis, mit offenen Feuern, mit Steinöfen, mit Erdöfen, mit Grills aus Baumatten …«
    »Und in zwei, drei Wochen ist der Winter da!«
    »Bis dahin muß alles wieder aufgebaut und aufgefüllt sein.«
    »Glaubst du daran?«
    »Nein!« sagte Jugorow ehrlich. »Nicht, wenn sich sowjetische Beamte darüber Gedanken machen und alles seinen Instanzenweg läuft … Jetzt wird viel Papier bewegt werden, von Zimmer zu Zimmer, von Amt zu Amt, und irgendwo hängt es dann fest.«
    Sie waren zum Haus zurückgekehrt, setzten sich auf die Stufen der Terrasse und sahen hinüber zu den hochlodernden Feuersäulen. Noch immer zerplatzten Gasflaschen und machten eine gezielte Löscharbeit unmöglich. Wie bei explodierenden Granaten sausten die Splitter der Stahlflaschen nach allen Seiten durch die Luft. Man konnte nur noch in Deckung gehen. Die Lagerfeuerwehr war machtlos – was wollte man denn auch noch löschen in diesem Chaos aus brennenden Lebensmitteln, Barackenwänden, Balken und Küchentrümmern?
    Niktin hatte die Terrasse verlassen, als er sah, daß der Brand nicht bis zu ihm kam und auch der Funkenflug in eine andere Richtung zog. Um so mehr tobte er herum, verfluchte alle Menschen am Tobol, schrie nach den Soldaten, und als Nasarows Bataillon mit allen Wagen und sogar dem Panzer in Nowo Gorodjina einrückte – unter dem Befehl von Mamjelew, denn Nasarow lag im Bett und konnte sich kaum bewegen –, rannte Niktin sofort auf Mamjelew zu und brüllte ihn an:
    »Was wollen Sie hier? Umkehren! Umkehren! Walzen Sie Lebedewka nieder! Machen Sie's dem Erdboden gleich! Alles vernichten, alles! Keine Rücksicht mehr! Männer, Frauen und Kinder, ja, auch die Kinder. Die Kinder sind die Feinde von morgen … alles niederwalzen, sag ich! Alles auslöschen …«
    »Ich muß zu Niktin«, sagte Jugorow und erhob sich. »Er ist verrückt geworden.«
    Ehe ihn Walja festhalten konnte, war er außer ihrer Reichweite und lief auf Niktin zu, der Mamjelew immer noch anschrie. Einen kräftigen Stoß in den Rücken gab er ihm, drehte ihn zu sich herum und schlug ihm links, rechts und links drei sehr gute Ohrfeigen ins Gesicht. Niktins Kopf zuckte hin und her, seine Augen quollen aus den Höhlen, nach Luft rang er wie ein Erstickender, glotzte Jugorow wie ein Riesenfrosch an und schrie dann: »Was fällt Ihnen ein?! Ein Regierungsbeamter bin ich! Sie schlagen mich, Jugorow? Sie schlagen mich? Sind Sie irr geworden durch das Feuer?!«
    »Sie benehmen sich wie ein Verrückter, Jossif Wladimirowitsch!« schrie Jugorow zurück. »Kleine Schläge an den Kopf … die beste Therapie. Wachen Sie auf! Werden Sie vernünftig. Wen wollen Sie auslöschen?!«
    »Lebedewka!« keuchte Niktin und verdrehte schaurig die Augen. »Das Mördernest …«
    »Warum?«
    »Das fragen Sie noch?!« Mit hocherhobenen zitternden Armen zeigte er auf die prasselnden Feuersäulen. »Was … was ist das denn da?!«
    »Ein ganz gemeines Attentat auf uns alle.«
    »Aha! Zur Hölle mit Lebedewka.«
    »Das ist nicht bewiesen, Niktin. Kommen Sie mit mir, beruhigen Sie sich, sehen Sie klarer.«
    »Ich sehe klar!« schrie Niktin auf und riß sich aus Jugorows Griff los. »Ich kenne ihren unheimlichen Schlachtruf. Jetzt sehe ich seine Bedeutung: Sechstausend Klopse! Das sind sechstausend Sprengladungen … Uns steht noch was bevor …«
    Sechstausend Klopse. Jugorow hatte Mühe, ernst zu bleiben. Er führte den widerstrebenden Niktin weg, während die Soldaten zunächst das Gelände um die Brände absperrten. Dann gab Mamjelew einen Befehl, der ein tiefes Raunen und Seufzen unter der Baubrigade auslöste: Der schwere Panzer schloß alle Luken, fuhr rasselnd an und wälzte sich der brennenden Küchenruine entgegen. Und dann ein neues lautes Seufzen: Der Panzer fuhr in die brennenden Trümmer hinein, walzte alles nieder, riß das Gebäude ein, ließ brennende Balken und Wände auf sich regnen, durchbrach das Feuer auf der anderen Seite, drehte um und kam zurück, auch den Rest des Gebäudes noch einreißend und in einen glühenden, funkensprühenden Teppich verwandelnd. Es war die einfachste Art, den Brand zu zerstören.
    Im Haus, dessen Fenster alle zerborsten waren, trafen Jugorow und Niktin auf Schemjakin und die Frauen. Die Niktina, in einem französischen Hemdchen, das eigentlich sinnlos war, weil es nichts mehr verbarg, saß auf dem Sofa und schluchzte erbärmlich. Olga Walerinowna hatte bereits wieder begonnen, praktisch zu denken, kam aus der Küche und

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