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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich an den Tisch und leckte sich über die Lippen. Ein Schnäpschen, dachte er gefühlvoll, jetzt ein Gläschen Wodka, das täte gut. »Entschuldigen Sie, Igor Michailowitsch. Nichts gegen Ihre lieben Tierchen! – Genosse Schemjakin …«
    »Ich höre …«
    »Ganz trocken ist mein Hals vor Empörung!«
    »Trinken wir den letzten Wein, der übriggeblieben ist. Olgaschka, wieviel Flaschen haben wir noch?«
    »Neun Flaschen, Boris Igorowitsch.«
    »Noch neun? Wie reich sind wir!« Das klang bitter und spöttisch zugleich. »Ihr Gedanke ist gut, mein lieber Niktin. Trinken wir, bis aus Tobolsk die Kommission kommt, sich vor die Trümmer stellt, lamentiert, schimpft, anklagt, lange Berichte schreibt, und dann bleibt doch alles beim alten. Zum Teufel, ist das alles idiotisch! In Moskau arbeiten sie an dem Zehnjahresplan des Kanalbaus, und wir fliegen unterdessen in die Luft …«
    Jugorow war an das Fenster getreten, zupfte die letzten Glasscherben aus dem Rahmen und steckte dann den Kopf hinaus. Die Lagerfeuerwehr spritzte Tonnen von Wasser in die Brände. Wer aber weiß, wie schwer brennendes Öl und Fett zu löschen sind – vor allem, wenn sie über Holzbalken fließen und sich mit anderem leicht brennbarem Material vermischen –, der erwartet keine schnellen Erfolge. Noch immer rasselte der Panzer durch die Trümmer, walzte alles flach, zermalmte die brennenden Lagerhallen zu einem glühenden Matsch und versuchte, die hohen Flammen zu ersticken.
    Die Männer der Baubrigade und die Rotarmisten umstanden den Platz der Vernichtung, diskutierten armschwingend über das Ereignis und seine Folgen, und Noskow brüllte hinaus, was alle dachten: »Wenn's morgen friert, können wir in zehn Tagen unsere Schuhsohlen auskochen und fressen!«
    Was mag jetzt im Militärlager geschehen sein? dachte Jugorow, und sein Blick ging in die Weite, hinüber zu den Wäldern. Sind die Geiseln befreit worden? Ist es gelungen, hat es Tote gegeben? Was ist mit Nasarow geschehen? Sind sie auf dem Weg nach Lebedewka? Was wird Korolew tun, wenn sie eintreffen? Was wird aus Krasnikow und Meteljew … die lautlosen Töter der GRU?
    Er zuckte zusammen, als ihn Walja von hinten umarmte. Ihr Kopf schob sich neben ihn, und gemeinsam sahen sie hinüber zu den glühenden Trümmern und den immer wieder aufflackernden Bränden. Hinter ihnen entkorkte Schemjakin die erste Flasche Wein … das Plopp des herausgleitenden Korkens war fast wie ein Schuß.
    »Woran denkst du, Igorka?« fragte sie und lehnte den Kopf an seine Wange.
    »An dich … an das gleiche, woran eben Niktin gedacht hat … Du solltest nach Tobolsk fahren; ich möchte dich in Sicherheit wissen.«
    »Aber du bleibst?« Und bevor Jugorow antworten konnte, fügte sie hinzu: »Zu dir gehöre ich, wo du auch bist – ob in Tobolsk in Sicherheit, ob hier im unterirdischen Krieg oder ob irgendwo anders auf der Welt. Ich bin immer bei dir! Erwartest du etwas anderes?«
    »Klüger wäre es, wenn …«
    »Ich will nicht klug sein, ich will bei dir sein, das ist alles. Kluge Liebe hasse ich … es ist keine Liebe! Liebe ist, wenn es kein du oder ich mehr gibt, sondern nur noch ein wir.«
    »Und wenn sie dein Haus in die Luft sprengen, Walja?«
    Sie senkte den Kopf auf seine Schulter und umarmte ihn von hinten. »Von heute an schlafe ich nur noch bei dir«, sagte sie leise. »Wenn sie dich in die Luft sprengen, bin ich auch bei dir … so soll es sein. Warum soll ich da überleben, warum muß ich dann überleben. Welch ein Leben wäre es denn!«
    Jugorow blickte verstohlen auf die runde Wanduhr über der Küchentür. Sie hatte dem Explosionsdruck widerstanden, sie hing noch da und tickte.
    Jetzt müßten sie auf dem Weg nach Lebedewka sein, dachte er. Spätestens jetzt, sofern es keine Komplikationen gegeben hat. Und der alte Trofimow rennt jetzt herum und flucht die Wolken vom Himmel, doch in den Ställen sind die Lager hergerichtet. Soja hat einen großen Topf mit Bohnensuppe gekocht und das selbstgebackene Brot bereitgelegt und wartet mit Herzklopfen auf die Begegnung mit Svetlana Victorowna.
    Eigentlich ist für Krasnikow und Meteljew alles sinnlos geworden, war ihr Einsatz in dieser Nacht ein Tritt ins Leere, die Befreiung der Geiseln eine jämmerliche Niederlage.
    Der ›Spezialist‹ hatte neben ihnen, unter ihren Augen, zu einem vernichtenden Schlag ausgeholt.
    Was würden sie jetzt ihrem GRU-General Tjunin erzählen?
    Das erste Spiel des sibirischen Roulettes hatte Jugorow gewonnen.
    In ihrem

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