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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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waren sein Werkzeug, das muß man klar erkennen. Die Magazine des Baulagers brennen ab, und wir tappen in die Falle und holen die Geiseln raus. Ein genialer Plan, das muß man ihm lassen. Nichts, aber auch gar nichts können wir tun, ohne uns selbst ans Messer zu liefern. Nur eins wissen wir jetzt ganz sicher: Der ›Spezialist‹ lebt in Lebedewka. Bei uns vorgestellt hat er sich heute nacht. Alle Achtung, möchte ich sagen. Ein Gegner, wie man ihn sich wünscht.« Krasnikow kroch aus dem Wagen, sprang auf die Erde, erkannte, wo man sie abgesetzt hatte, und suchte in seinen Taschen nach einer Papirossa. Nichts hatte man ihnen genommen, selbst die Giftnadeln lagen in ihren Rocktaschen. Krasnikow steckte zwei Zigaretten an und reichte eine an Meteljew weiter. »Wir werden morgen wieder nach Lebedewka fahren, als sei nichts geschehen.«
    »Aber wo haben sie die Geiseln hingebracht?«
    »Das werden wir noch erfahren.«
    »Jugorow sollte man mit seinen Hunden auf die Spur setzen.«
    »Und er lacht uns aus, daß sich sein ganzer Körper verbiegt! Die Geiseln sind befreit, das wird ihm genügen. Wohin man sie gebracht hat, interessiert ihn nicht. Mit seinen geschockten Hunden wird er genug zu tun haben; zu beneiden ist er nicht.« Krasnikow zertrat seine Papirossa und ging nach vorn zur Fahrerkabine. »Fahren wir zurück, Babrak Awdejewitsch.«
    »Wie ruhig du das sagst!« rief Meteljew erregt. »Lebedewka möchte ich ausrotten!«
    »Später … wenn wir den ›Spezialisten‹ vor uns liegen haben. Er ist unser Ziel, nicht diese – zugegeben raffinierten – Bauern. Sie waren ja nur die Ausführenden; der Kopf ist er! Und den Kopf brauchen wir!«
    Sie stiegen in den Fahrerstand, ließen den Motor an und fuhren dem Feuerschein entgegen, der noch immer über Nowo Gorodjina stand. Ins Lager gelangten sie, ohne daß sie jemand bewußt bemerkte. Noch standen alle um die Trümmer und sahen zu, wie der Panzer immer wieder in die glutenden Reste der Magazine hineinfuhr und das Feuer niederwalzen wollte.
    Schemjakin hatte die Leitung des Projektes – Abschnitt Tobolsk-Tjumen – alarmiert, hatte dem verschlafenen Genossen Projektleiter, dem dicken Koskajew, die Tragödie geschildert, und Koskajew mußte herumgesprungen sein, wie von einem Bienenschwarm gestochen, brüllte unverständliche Worte, wiederholte immer wieder: »Die ganze Verpflegung, das schöne Essen … alles, alles vernichtet?!« und versprach, am Morgen mit dem Hubschrauber nach Nowo Gorodjina zu kommen. Auch General Pychtin rief an, nachdem er vergeblich bei Nasarow in der Kommandantur geklingelt hatte, und hörte von Leutnant Mamjelew, daß der Genosse Major krank im Bett liege und der Brand unter Kontrolle gebracht sei. Über die Attentäter werde man morgen reden … Was unterdessen im Militärlager geschehen war, davon hatte man noch keine Ahnung. Auch Mamjelew versuchte, Nasarow zu erreichen, aber von dort kam keine Antwort. Nasarow schien fest zu schlafen.
    Ohne auf Fragen Antwort geben zu müssen, stellten Krasnikow und Meteljew den kleinen Transporter zurück in die Wagenhalle und mischten sich unter die Neugierigen, als hätten sie schon immer dort gestanden. Auch Noskow, der Vorarbeiter, schien dieser Ansicht zu sein; er drängelte sich bis zu ihnen durch und stotterte vor Erschütterung.
    »Wir werden Gras fressen müssen, Genossen«, meinte er trübsinnig. »Was heißt hier: Lebedewka muß uns ernähren?! Wie sollen sie dreihundert Mann satt kriegen? Nicht morgen oder übermorgen … Es kann Tage dauern, bis die neuen Transporte aus Tobolsk kommen. Und wenn es morgen regnet und die ganze Woche lang regnet, dann kommt gar nichts mehr durch. Dann ersaufen sie im Schlamm. Und auch ein Flugzeug wird sich hüten, hier zu landen. Trübe Aussichten sind das, Genossen, ganz trübe Aussichten.«
    »Das Militär hat ein eigenes Lager«, sagte Krasnikow und dachte dabei, wie gut der Plan des ›Spezialisten‹ gewesen war, die Magazine zu sprengen.
    »Das Militär? Uns ernähren? Die ganze Baubrigade? Wovon denn, frage ich?! Haben ja selbst nur Kascha und Kohlsuppe zu fressen, und wenn's hoch kommt, eine Bohnensuppe oder Kartoffeln. Genossen, das wird eine Zeit werden! Wir werden so hungern, daß wir nur noch einmal jede Woche Steinkügelchen scheißen werden …«
    Im Laufe dieser Nacht trat auch Jugorow zu ihnen, mit einem zerknitterten sorgenvollen Gesicht. Er schob sich zwischen Krasnikow und Meteljew und starrte auf die langsam verglimmenden Trümmer, aber

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