Sibirisches Roulette
durch die Zähne fragte er:
»Ist es gelungen?«
»Ja –«, antwortete Krasnikow kurz.
»Sehr gut! Gratuliere.«
»Danke, Genosse –«, knirschte Meteljew. Er hätte Jugorow köpfen können.
»Welch ein Unglück, dieser Anschlag!« sagte Jugorow klagend. »Meine Hunde sind nicht mehr zu bändigen. Das Feuer, die explodierenden Gasflaschen, das Geschrei, das Wasser der Feuerwehr … einen Schock haben sie erlitten. Ich weiß nicht, wie ich sie wieder in den Griff bekomme.«
Kein Wort mehr über die Geiseln; was gingen Jugorow die Gefangenen an? Krasnikow und Meteljew atmeten auf, sie waren weiteren Fragen entronnen. Die Hunde waren Jugorow wichtiger als alles andere um ihn herum. Nicht über den Verlust der gesamten Verpflegung klagte er – er weinte fast über den Zustand seiner Hundemeute.
»Wie wird es weitergehen?« fragte Krasnikow.
»Wer weiß das, Genosse?«
»Sie waren doch öfter in Lebedewka, Igor Michailowitsch.«
»Sonntags. In der Kirche.«
»Haben Sie da mal den Namen Trofimow gehört?«
»Trofimow?« Jugorow schüttelte den Kopf, aber irgend etwas in ihm schlug Alarm; er wurde sehr wachsam. »Nie gehört.«
»Was ist das Schwarze Haus?«
»Mir unbekannt, Victor Ifanowitsch.«
»Und wer wird in Lebedewka Hürchen genannt?« fragte Meteljew. »Ist's möglich: Man hat in einem Dorf wie Lebedewka einen Puff?«
»Das müßte ich wissen, Babrak Awdejewitsch.« Jugorow grinste breit. »Darauf warten dreihundert wackere Genossen.« Er sah von Krasnikow zu Meteljew und war sehr erstaunt. »Was sind das für Fragen? Ihr kommt doch gerade aus Lebedewka.«
»Am Rande haben wir da einiges gehört. Aber fragen wollten wir doch nicht.«
»Ein großer Fehler, Genossen.« Jugorow versuchte, das Grinsen im Gesicht zu behalten, obwohl in ihm plötzlich alle Nerven vibrierten. Was war in Lebedewka geschehen? Woher kannten Krasnikow und Meteljew das Schwarze Haus, den alten Trofimow, den Schimpfnamen von Soja Gamsatowna? »Ein Hürchen im Dorf? Welch eine Information! Man sollte die Sirenen heulen lassen. Aber nur eine Hure für dreihundert Mann? Welch ein Gedränge! Ich werde vorschlagen, mit dem Essen auch numerierte Karten ausgeben zu lassen. Ordnung muß sein, auch im Puff!«
»Mit dem Essen wird's jetzt knapp werden«, sagte Meteljew und blickte wieder auf den Matsch aus Kartoffeln, Gemüse, Nudeln, Reis, Grütze, Fett, verbranntem Fleisch, geplatzten Würsten und zermalmten Hühnern, den der Panzer hinterlassen hatte. Das stählerne Ungetüm stand jetzt neben den noch immer träge brennenden Trümmern der Küche, bis zur Hälfte beschmiert mit dem Breigemisch, das die Panzerkette emporgeschleudert hatte. Leutnant Mamjelew lief etwas kopflos herum; seit einer halben Stunde versuchte er Nasarow anzurufen, aber der Major meldete sich noch immer nicht. Dafür hatte der Leutnant mit General Pychtin ein kurzes, aber erregtes Gespräch gehabt und mußte sich anhören, daß die Truppe, die zum Schutz des Lagers abkommandiert worden war, anscheinend aus Tiefschläfern oder Pilzsammlern bestünde.
»Ich frage mich nur«, überlegte Meteljew, »wie man solche Sprengladungen legen kann, ohne gesehen zu werden? Mit Zeitzündern auch noch. Der Sauhund muß hier im Lager leben.«
»Bitte, Genossen, nicht wieder Sau und Hund zusammenbringen«, sagte Jugorow eindringlich. »Hab' schon protestiert bei dem Genossen Niktin, der auch die Hunde beleidigte. Ein Hund würde niemals Bomben legen.«
»Ihre Sorgen möchten wir haben, Igor Michailowitsch!« Krasnikow wandte sich ab. Helfen konnte man nicht mehr, das Anstarren der Trümmer erzeugte nur dumpfe Wut, die eigene Niederlage war bedrückend und beschämend – aber hinlegen konnte man sich auch nicht. Die Nerven peitschten einen hoch. Die große Hetze stand ja bevor: Wenn man den toten Nasarow entdeckte und die beiden erschossenen Posten! Und in der Frühe würden die Hubschrauber aus Tobolsk einfliegen mit der Untersuchungskommission, mit General Pychtin, mit dem KGB-Leiter Bacharew, mit einer Menge Leute, die doch nur herumstehen, diskutieren, fluchen, Rache schwören würden und in Wahrheit völlig machtlos waren. »Kommen Sie mit, Jugorow?«
»Ja. Trinken wir ein Gläschen. Anstoßen müssen wir auf Ihren Erfolg. Wie hat sich diese Räuberbande von Lebedewka benommen, als Sie die befreiten Geiseln brachten?«
»Wie echte Freunde«, sagte Meteljew, aber seine Stimme klang alles andere als freundlich. »Umarmt und geküßt haben sie uns, feiern wollten sie
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