Sibirisches Roulette
auf das Bett fallen ließ.
Niktin atmete röchelnd auf, zuckte hoch, stürzte sich auf Maja Petrowna und packte die Füße. Mit einem Ruck riß er ihre Beine auseinander, und als sie aufschrie und laut quietschte und mit ganz hoher Stimme rief: »Jossif, was ist denn? Ha, wie wild bist du heute wieder! Jeden Tag solltest du Wein trinken … Du bist ja wie ein junges Kerlchen …«, da beugte er sich tief zwischen ihre Schenkel und starrte auf den kleinen runden Leberfleck am linken Oberschenkel, ganz oben, fast schon an der Pforte zum Glück.
Die Nachricht, die in seiner Hosentasche knisterte, stimmte. Es war die Wahrheit. Wahr war aber auch, daß Niktin – ein kleines Rindvieh schon immer – zum erstenmal diesen Leberfleck sah, ein entzückendes Mal an einem noch entzückenderen Ort.
»Es stimmt!« sagte er dumpf und ließ Majas Beine wieder fallen. »Himmel, es stimmt, sie hat ihn!«
»Nichts habe ich«, kicherte sie und ließ die Beine gespreizt. »Was redest du da, mein Liebling … du stehst ja noch …«
»Der Leberfleck!« sagte Niktin, atemlos vor innerem Schmerz. »Genau da! Das muß geklärt werden.«
Er beachtete Maja Petrowna nicht weiter, die nun auch ihr Hemdchen abstreifte und dabei girrte: »Wo bist du denn, mein Wölfchen? Wo bleibst du denn? Soll ich erfrieren? Komm, wärme mich, auf dich warte ich …« Statt dessen streifte er die Schuhe wieder über, zog seinen Rock an, stürzte aus dem Zimmer und eilte zurück zu den Schemjakins.
Walja, die gerade im Begriff war, zu Jugorow zu gehen, weil sie von jetzt an auch dann bei ihm schlafen wollte, wenn Laika, Ilja oder Taiga vor seinem Bett liegen sollten, fuhr erschrocken herum, als Niktin in die Schemjakin-Wohnung einfiel.
»Eine neue schlimme Nachricht?« fragte sie betroffen. Niktins Aussehen rechtfertigte die Frage.
»Nicht für Sie, Walja Borisowna!« rief Niktin verzweifelt. »Nur mich geht's an. Leihen Sie mir Ihren Jeep?«
»Jetzt? Um vier Uhr morgens?«
»Wer blickt in meiner Lage auf die Uhr? Etwas Dringendes muß ich erledigen. Geben Sie mir den Jeep?«
»Aber ja.« Sie holte den Schlüssel aus der Rocktasche und warf ihn Niktin zu. Der verfehlte ihn beim Zugreifen, mußte sich nach ihm bücken und richtete sich ächzend auf.
»Langweilt sich Maja Petrowna hier im Lager?« fragte er keuchend.
»Maja? Nein! Am Tag, wenn Sie Ihre Vorträge halten, fährt sie herum, pflückt Beeren, sucht Pilze …«
»Pflückt Beeren!« wiederholte Niktin und rollte mit den Augen. »Wie schön, wie naturverbunden, wie – nahrhaft … Habe wirklich ein gutes Weibchen!«
Mit einem röchelnden Laut rannte er aus dem Haus, hinüber zur Halle, wo Waljas Jeep stand. Minuten später raste er davon, als sei seine Sohle auf dem Gaspedal festgeklebt.
Was er von Nasarow wollte, wußte er nicht so recht. Nur sprechen wollte er ihn, nach dem Leberfleck fragen – Innenseite linker Oberschenkel, ganz oben – und bestätigt bekommen, daß er von seiner Frau mit dem süßesten Gesicht betrogen wurde. Was war gegen Nasarow zu machen? Er war der Stärkere, und er war vielleicht sogar der Verführte. Oh, Niktin kannte Majas hosenabstreifenden Blick; er vermochte sich genau vorzustellen, wie sie es auch bei Nasarow getan hatte. Sie konnte mit den Augen einen entkleiden. Und welcher Mann hält dann noch seine Hose fest? Genossen, seid ehrlich und blickt in euch hinein …
Vor ihm, auf der Straße, fuhren die ersten Rotarmisten zurück in das Militärlager. Niktin nahm den Fuß nicht vom Gas, hupend scheuchte er alles zur Seite, raste geradezu artistisch an den Militärtransportern vorbei, überholte waghalsig den mit Lebensmittelbrei beschmierten Panzer und sauste an Mamjelews GAZ 69 vorbei, der sofort mit einem wilden Hupkonzert antwortete und sich hinter Niktin setzte.
Im verlassenen Lager brannten die noch provisorisch an Pfählen aufgehängten Lampen und beleuchteten eine schreckliche Szenerie. Vor dem Zelt der Geiseln lagen die zusammengekrümmten toten Posten, und es bedurfte keiner großen Phantasie, um sofort zu wissen, was da geschehen sein mußte. Während Mamjelew vor den Toten kreischend bremste und mit einem Satz aus dem Jeep sprang, fuhr Niktin weiter bis zur Kommandantur, die man an der roten Fahne erkannte, die neben der Tür in die Erde gerammt war. Dort hielt auch er abrupt mit einem Aufschrei der Bremsen, rannte ins Haus und stieß alle Türen auf, bis er zu Nasarows Schlafzimmer kam.
»Genosse Major!« brüllte er und knipste das
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