Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
plötzlich vor uns, eine lange Lederpeitsche in der Hand, und schlug auf ihn ein. Ich habe mich herumgeworfen, mit dem Gesicht zur Erde, und habe mir die Ohren zugehalten. Wie kann man da etwas sehen? Jetzt schlägt er gleich mich, habe ich nur gedacht. Jetzt schlägt er mich, und ich überlebe es nicht. Kann sein, daß ich sogar ohnmächtig wurde aus Angst …«
    Bacharew kaute an der Unterlippe und sah das ein. Eine Frau fällt in einer solchen Situation in Ohnmacht, das ist klar. Aber vorher, als der Kerl auf die Lichtung kam, da mußte sie doch etwas gesehen haben. Trotz Schreck, trotz Entsetzen.
    »Wie sah er aus?« fragte er eindringlich. »Maja, erinnere dich ganz scharf. Bevor er zuschlug und du dich umdrehtest, hast du ihn doch gesehen.«
    »Es … es war alles so plötzlich, so schrecklich … Nasarow, vom Gürtel an nackt, den Uniformrock hatte er noch darüber …«
    »Ein verfluchtes Ferkel! Aber mich geht Nasarow nichts an. Wie sah der Schläger aus?«
    »Laß mich nachdenken.« Sie schloß die Augen, und dann beschrieb sie Krasnikow, wie sie ihn im Geiste vor sich sah. Bacharew hörte mit zusammengekniffenen Augen zu und versuchte sich den Mann nach Majas Beschreibung vorzustellen – doch so sahen Hunderte, Tausende aus. Immer war es das gleiche, bei allen Verhören: Es gab nur Alltagsmenschen, uniforme Gesichter, genormte Körper. Nichts konnte man damit anfangen. »Ja, so sah er aus«, sagte Maja am Schluß ihrer Beschreibung. »Und er schlug mit der Peitsche, schlug und schlug … Ich hörte das Klatschen und Nasarows Geschrei. Um mein eigenes Leben habe ich gezittert.«
    »Ein Wunder, daß er Nasarow nicht den Schwanz abgeschlagen hat«, meinte Bacharew höhnisch. »Du hättest ihn als Andenken mitnehmen können.«
    »Eine Sau bist du, Pjotr Dimitrowitsch«, sagte Maja Petrowna voller Verachtung. »Du hast dich nicht verändert in den zwei Jahren.«
    »Ich werde dich und Niktin zurück nach Tobolsk bringen.« Bacharew grinste gehässig. »Noch vieles ist zu klären. Dein Mann hat gestern nacht Nasarow umgebracht.«
    »Nein, das war er nicht. Das kann er gar nicht!« schrie Maja Petrowna auf.
    »Mit einem Kissen hat er ihn erstickt.«
    »Nicht Jossif Wladimirowitsch! Nicht mal eine Fliege erschlägt er, sondern pustet sie aus dem Fenster.«
    »Ein ganzes Dorf will er ausrotten.«
    »Nicht er … das sollen andere tun. Er badet sich nur in den Gedanken, in der Vorstellung.«
    »Wir werden noch viel darüber reden, Maja Petrowna.« Bacharew betrachtete sie mit den Augen des früheren Liebhabers, dachte sich die Kleidung weg und fand diese Frau noch begehrenswerter als damals. Ihre Brüste waren größer geworden und die Hüften runder. Verdammt sei Nasarow auch über den Tod hinaus! »Niktin hat keine Zeugen, kann nichts beweisen, daß er keinen Herzinfarkt bekommen hat. So ohne Grund hört doch ein Mann wie Nasarow nicht mit dem Atmen auf! Schwer wird's werden für Niktin. Wir sollten darüber sprechen, Maja Petrowna, in Tobolsk, allein.«
    »Auf dem grün bezogenen Sofa …«
    »Es ist jetzt rot … und darauf deine weiße Haut …« Er schnalzte mit der Zunge. »Wenn Niktin gesteht, sind es nur zwei Jahre Straflager. Sonst lebenslänglich. Mit dir hielt ich es noch mal zwei Jahre aus, Majuschka.«
    »Darüber läßt sich nachdenken, Pjetka«, sagte sie klug und lächelte ihn so an, daß Bacharews Nerven zuckten. »Du warst immer ein Mann, der weiß, was er will. So etwas gefällt mir. Ein starker Mann ist wie ein hundertjähriger Baum, den kein Sturm mehr umwirft.«
    »Ein verdammtes Luder bist du, Majuschka.«
    »Ich weiß es, Pjetka … so einer laufen die Männer nach.« Sie lachte und drehte sich dabei so kokett, daß ihre Brüste die Bluse spannten. »Wir sollten doch ehrlich sein. Würdest du auf ein Hausmütterchen einen einzigen Blick verschwenden?«
    »O du Hure!« sagte Bacharew dumpf, drehte sich um und verließ schnell das Zimmer.
    Ihr Lachen verfolgte ihn, bis er hinter sich die Haustür zuschlug.
    Am Abend, bevor die Dunkelheit über Sümpfe und Wälder kroch – eine klebrige Dunkelheit, bei der Korolew zu Trofimow sagte: »Jetzt wird's bald regnen!«, und Trofimow antwortete: »Schafft nur reichlich zu fressen an für diese zehn Wanzen!«, womit er natürlich die Geiseln meinte –, am Abend also flog Bacharew als erster zurück nach Tobolsk. General Pychtin blieb mit seinem engsten Stab noch im Militärlager und wohnte in der Kommandantur. Die Experten der Kanalbauleitung

Weitere Kostenlose Bücher