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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geheimstufe eins. Auch ich kenne sie nur, weil wir bei unserer Ausbildung alle im Einsatz befindlichen Waffensysteme erkennen müssen – wie heute, Genosse General.«
    »Sagen wir es klar: Die Posten sind nicht von den Dorfbewohnern erschossen worden?«
    »Auf gar keinen Fall, Genosse General.«
    »Nicht von den Saboteuren?«
    »Ausgeschlossen.«
    »Auch nicht von dem in den Gehirnen herumgeisternden ›Spezialisten‹?«
    »Kaum.« Der Waffenexperte, ein Major, wiegte den Kopf. »Wenn er nicht zu den streng ausgewählten Personen gehört, die eine solche Waffe benutzen dürfen und zugeteilt bekommen. Das ist aber unwahrscheinlich, denn alle diese Spezialwaffen werden registriert, die Träger sind auf Karteikarten erfaßt, die in einem Panzerschrank in Moskau liegen.«
    »Bei wem?«
    »Das weiß keiner, Genosse General.«
    »Der Generalstab muß es doch wissen!«
    »Und dort vielleicht nur zwei oder drei Männer, die schweigen werden. Niemand kennt sie.«
    General Pychtin betrachtete die vier Projektile, ohne sie zu berühren. Etwas Eisiges wehte von ihnen zu ihm hinüber. »KGB?« sagte er langsam.
    »Ich glaube nicht, Genosse General. Nicht diese Waffe …«
    »GRU?!« Pychtin lehnte sich zurück. »Denken Sie an GRU, Major?«
    »Es bleibt nichts anderes übrig.«
    »Die GRU befreit die Geiseln und tötet zwei Rotarmisten? Unfaßbar, so etwas auch nur zu denken. Das auszusprechen, wäre schon ein Verbrechen.« Pychtin starrte wieder die vier Kugeln an. »Major, ich verrate Ihnen etwas, was unter uns bleibt: Ich habe von Moskau den Befehl erhalten, nichts mehr gegen Lebedewka und gegen die Geiseln zu unternehmen. Man hat Major Nasarow zurückgepfiffen. Nun sind die Geiseln befreit und Nasarow tot, und der Befehl bleibt. Du lieber Himmel, wir haben die GRU um uns … Wer kann das sein?«
    »Jeder, Genosse General. Ein Bauarbeiter oder Schemjakin selbst. Die Ingenieure, Geologen, Zeichner, Mamjelew kann es sein oder ein einfacher Rotarmist … Die Spezialisten der GRU leben in allen Verkleidungen. Das wissen wir doch.«
    »Ja, das wissen wir.« Pychtin faltete die Hände vor der Brust. Bei dem Gedanken, die GRU um sich zu haben, empfand er so etwas wie Bedrückung. »Wenn das stimmt, was wir jetzt denken«, sagte er langsam, »dann ist auch Nasarow nicht normal gestorben.«
    »Er hatte keinen Einschuß, Genosse General.«
    »Ich lasse ihn noch einmal gründlich untersuchen. Genosse Major, kennen Sie noch mehr geheime Waffen der GRU?«
    »Ich bin ihnen nie begegnet. Nur vom Hörensagen kenne ich einiges …«
    »Wie ich! Giftpistolen, Giftnadeln, Sprühgas, Infrarotgewehre, Laserstrahlen, lautlose CO 2 -Pistolen – ein Arsenal der Hölle! Aber diese Waffen dienen dem Vaterland, und deshalb sind sie vortrefflich. Was mich stört, ist nur: Was hat der Tod der zwei Posten mit der Rettung des Vaterlandes zu tun?«
    »Darauf kann nur Moskau antworten, Genosse General.«
    »Und was von dort kommt, wissen wir: Nichts. Oder sie sagen einfach: Kümmern Sie sich nicht darum.« Pychtin winkte und zeigte auf die Projektile. »Ich danke Ihnen, Genosse Major. Und nehmen Sie diese verdammten Dinger mit. Wie schön wäre es, wenn man die GRU-Burschen erkennen könnte, wenn sie ein Zeichen trügen – und sei es bloß ein Punkt auf der Arschbacke. Den würden allerdings auch nur Eingeweihte bemerken. Da waren die Faschisten ehrlicher – die tätowierten ihrer SS eine Nummer unter den Arm.«
    Wer hätte anderes geglaubt: Auch die zweite gründliche, millimetergenaue Untersuchung von Nasarows Leiche ergab keine neue Erkenntnis. Man sah nur Bekanntes. Der Giftnadelstich in einer der Striemen war unmöglich zu entdecken. Der blutige Wulst überdeckte alles. Das Rätsel blieb: Woran war Nasarow gestorben? War es das Herz? Aber das Herz war gut und stabil. Daß es trotzdem stehengeblieben war – keiner wußte, warum. Bemerkenswert war nur eine leichte Verfärbung der Lunge, aber auch die konnte man sich erklären. Immerhin war Nasarow ein starker Raucher gewesen, da sehen Lungen manchmal seltsam aus.
    Die GRU. General Pychtin ließ das Problem keine Ruhe, doch konnte er sich in seiner inneren Erregung keinem anvertrauen. Mit niemandem war darüber zu sprechen. Ganz allein war er mit der brennenden Frage: Wer ist es? Wer ist der äußerlich Harmlose, der bedenkenlos, für ein geheimes Ziel, Menschen tötet und zwei junge Soldaten und vielleicht auch noch Nasarow auf dem Gewissen hat? Es war ein deprimierendes Gefühl, General zu sein und

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