Sich vom Schmerz befreien
zu erfassen, sodass auch diese sehr häufig mit dem Schmerz gleichgesetzt werden - Schmerz als Sinnesreiz.
Wenn etwas wehtut, ist die erste Frage die nach der Ursache. Haben Sie sich in den Finger geschnitten, sich den Kopf angeschlagen oder sich körperlich sehr anstrengen müssen, liegt die Antwort auf der Hand. Man versorgt die Verletzung, nimmt eventuell ein Schmerzmittel ein und schont sich. Bei gröÃeren Verletzungen und stärkeren Schmerzen gehen Sie wahrscheinlich zum Arzt, um sich professionelle Hilfe zu holen. Handelt es sich um Schmerzen, deren Ursachen nicht ersichtlich sind und die trotz Behandlung nicht vergehen oder sogar zunehmend stärker werden, wenden Sie sich mit der Frage nach der Ursache ebenfalls an Ihren Arzt. Sie nehmen an, dass ein unerkannter Defekt, eine Störung oder gar Krankheit dahintersteckt. Der Arzt denkt dasselbe und verfügt über viele Untersuchungsmöglichkeiten, um die Ursachen herauszufinden. Bei Bedarf holt er sich dazu Unterstützung bei Experten anderer Fachrichtungen. Schauen wir uns dies einmal am Beispiel eines Menschen, der unter Rückenschmerzen leidet, genauer an.
Herr M. hatte seit jeher immer wieder mal Rückenschmerzen. Nachdem er als Kind häufig von Bauchschmerzen geplagt war, tat ihm als Jugendlicher während seiner Ausbildung zum Maschinenschlosser der Rücken zunehmend weh. Mit den Jahren kamen die Schmerzen immer häufiger und wurden stärker - kein Wunder, er musste körperlich schwer arbeiten. Jetzt hat er es besser. Er wurde versetzt und arbeitet die meiste
Zeit am Schreibtisch. Doch auch dies ist - nach Aussage des Arztes - eine Ursache für seine andauernden Rückenschmerzen. Für Sport und Bewegung bleibt keine Zeit und er hat deshalb auch einige Kilos zu viel an Körpergewicht - weitere Ursachen. Als es mal wieder besonders schlimm ist, sucht er einen Orthopäden auf. Dieser stellt mit Hilfe einer Röntgenaufnahme fest, dass eine Bandscheibe vorgefallen ist und mehrere Wirbel »verschlissen« sind. Er muss sich an der Lendenwirbelsäule operieren lassen. Nach einer anschlieÃenden ambulanten Reha-MaÃnahme geht es ihm zunächst wieder gut. Im Laufe der Zeit nehmen die beruflichen Anforderungen und der Arbeitsumfang jedoch immer mehr zu, mit seinem neuen Chef und den Kollegen gibt es Konflikte.
Nach etwa einem Jahr geht Herr M. wegen starker Rückenschmerzen erneut zum Arzt. Diesmal sind vor allem der obere Rücken und der Nacken betroffen. Hinzu kommen Schmerzen im rechten Knie sowie immer wieder Kopf- und Bauchschmerzen - Letztere vor allem »in beruflichen Stresssituationen«. Nun diagnostiziert der Arzt eine Entzündung an einigen Wirbelgelenken sowie einen »Gleitwirbel«, der aus orthopädischer Sicht den Kopfschmerz verursacht. AuÃerdem stellt er eine »Beinlängendifferenz« sowie eine »Arthrose im rechten Knie« fest. Der Physiotherapeut, zu dem der Patient geschickt wird, findet heraus, dass die Rückenmuskeln stark verspannt und verkürzt sind. Die Bauchmuskulatur ist schwach und die gesamte Koordination inklusive Haltung und Gangbild sind gestört. Wegen der Kopfschmerzen wird ein Neurologe hinzugezogen. Seine Diagnose lautet »Spannungskopfschmerz«, und für ihn
sind auffallende Nervenaktivitäten und Durchblutungsprobleme die Ursache. Es kommt zu einer mehrwöchigen stationären Reha-MaÃnahme, in der er auch zum Klinikpsychologen geschickt wird. Der kommt zu dem Schluss, dass sozialer Stress (Konflikte im Beruf) und prägende Erlebnisse in der Kindheit eine zentrale Komponente seines Rücken- und Kopfschmerzproblems darstellen.
Dieses Beispiel habe ich gewählt, weil Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates die häufigsten Beschwerden bei uns sind und sie den Rücken, also den Nacken-Schulter-Arm-Bereich, die Lendengegend sowie den Komplex von Becken - Hüfte - Beine betreffen. Auch Kopfschmerzen gehören dazu. Rückenschmerzen sind am besten erforscht, deshalb kann ich hierbei die Maschinen-Sichtweise am anschaulichsten schildern. Herr M. steht auÃerdem repräsentativ für Menschen mit chronischen Schmerzen. Er könnte genauso gut jemand nach einem Autounfall sein oder mit einem künstlichen Hüftgelenk. Es spielt auch keine Rolle, ob es eine eindeutige Diagnose wie »Rheuma« oder »Migräne« gibt oder nicht. Alle gefundenen »Ursachen« werden, wie gesagt, objektiv durch
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