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Sich vom Schmerz befreien

Titel: Sich vom Schmerz befreien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Weitzer
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Steuerung von Haltung und Bewegung. Gleichzeitig bedeutet dies aber noch mehr Möglichkeiten, Muskelspannung zu erzeugen. Das Gehirn des Menschen besitzt eine einzigartige Vielfalt von Möglichkeiten, das Zusammenspiel aller Muskelfasern und Muskeln ins Ungleichgewicht zu bringen. Dadurch können auch »Teufelsspiralen« entstehen, in denen ein sinnvolles Verhalten wie Schmerz zum Problem wird und zu »chronischen Schmerzen« und Schmerzkrankheiten führt. Darüber im Folgenden mehr.

Wie Schmerz zum Problem wird
    Wenn Schmerz ein Verhalten zur Regulation von Muskelspannung ist, bedeuten chronische Schmerzen und Schmerzkrankheiten dann, dass dieser Vorgang misslungen ist? In Kapitel 1 habe ich allgemein die Entstehung komplexer, chronischer gesundheitlicher Probleme und Krankheiten beschrieben, die von Spannung bestimmt werden. Sehen wir uns das Ganze speziell für den Schmerz an. Dieses Verhalten muss ein Mensch von Anfang lernen, weil es für sein Überleben wichtig ist. Manche Forscher setzen den Geburtsschmerz an den Anfang dieses Lernprozesses. Denn das Auf-die-Welt-Kommen ist für den Säugling zunächst eine Bedrohung und Riesenbelastung - körperlich und psychisch -, er wird aus seiner sicheren Welt im Mutterleib mehr oder weniger gewaltsam in eine völlig unbekannte und für ihn bedrohliche Welt befördert. Am Anfang stehen genetisch angelegte muskuläre Schutzreflexe (auf diese gehe ich weiter unten genauer ein). Erste Spannungs-»Trampelpfade« werden angelegt, die Angst und Muskelspannung enthalten; erste Schmerzen werden produziert, die in ihrer Ausprägung vom Verlauf des Geburtsvorgangs und anderen Belastungen abhängig sind.

    Da aber Muskelspannungen langfristig die Entwicklung hemmen würden, sorgen Schmerzen dafür, dass der Säugling, wenn er in seiner neuen Welt angekommen ist und dort liebevoll empfangen wird, das Stressverhalten auch wieder aufgibt und lernt, sich im Gleichgewicht durch sein Leben zu bewegen. Schmerz reguliert also die Muskelspannung. Er begleitet ihn als Helfer in Notsituationen. Nun kann man sich ja zunächst mal sein Leben nicht aussuchen und unter Umständen treffen mehrere ungünstige Faktoren zusammen. Zahlreiche Unfälle und Verletzungen, die auch noch an psychische Belastungen und Ängste gekoppelt sind, können dazu führen, dass die Wege eines Menschen durch ein ausgeprägtes Spannungsverhalten und damit auch durch Muskelspannung gekennzeichnet sind.
    Schmerzen können von Anfang an häufiges Thema sein, wie das auch bei Herrn M. in Kapitel 2 (siehe S. 62 ff.) der Fall war. Er ist jedoch keineswegs dazu verdammt, das Schicksal eines Schmerzpatienten zu erleiden. Dafür besitzt sein Organismus viel zu viele Hilfsmittel und Schutzmechanismen. Am Beispiel des Herrn M. schauen wir uns nun aber an, wie Schmerzen dennoch zum Problem werden. Dafür verwende ich den Begriff »Teufelsspirale«.
Teufelsspirale 1: Belastung, Spannung, Schmerz
    Herr M. rief mich vor einigen Jahren an und verabredete einen Termin »wegen unerträglicher Schmerzen im rechten Knie«. Ein paar Tage später humpelte er in meine Praxis und erzählte mir - freundlich lächelnd -, dass er es kaum mehr aushalte. »Meine Arthrose ist so schlimm wie nie.« Er meinte, er könne sich nicht schon
wieder krankschreiben lassen, möchte aber auch nicht noch mehr oder stärkere Schmerzmedikamente einnehmen. Da sei schon so viel herumexperimentiert worden, er habe es satt, sein Magen beginne zu rebellieren. Ein Freund habe ihm von mir erzählt und er habe sich »entschlossen, es mal mit so etwas zu versuchen«. Für Herrn M. gab es zu jener Zeit nur sein Knieproblem. Während unseres ersten Gesprächs erwähnte er auf Nachfrage auch seine »Bandscheibe«, die aber durch die Operation und die Reha-Maßnahme »in Ordnung gebracht« worden sei. »Natürlich« habe er immer wieder auch Rückenschmerzen, aber das sei »ja ganz normal«, ebenso wie seine »stressbedingten Nacken- und Kopfschmerzen«. Die habe er jedoch alle »im Griff«, unter anderem mit Hilfe von pflanzlichen Schmerzmitteln, die er bei Bedarf einnehme.
    Die ersten drei Behandlungen verliefen unspektakulär. Herr M. entspannte tief und wurde sehr müde. (Mehr über meine Arbeitsweise im nächsten Kapitel.) Der Knieschmerz ließ jeweils nach, verhielt sich einige Stunden lang ruhig, bevor er wieder

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