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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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konnte. In jeder Sonntagnacht bin ich dich besuchen gekommen. Ich hatte mich an dein Fenster gestellt und dir beim Schlafen zugesehen. Ich hatte dir Küsse zugeworfen und dir unzählige wunderbare Träume gewünscht. Kind, was hast du mir gefehlt.«
    Tabitha ließ sich noch einmal drücken. »Darum also«, brachte Tabitha nachdenklich hervor. »Ich hatte mich immer schon gewundert, warum Papa darauf bestand, sonntags die Vorhänge nicht zuzuziehen. Ich hatte das für eine Marotte von ihm gehalten. Einen verrückten Tick. Doch hätte ich gewusst   …«
    »Tabitha!« Nana hauchte diesen Namen in einer Weise, die alle Liebe widerspiegelte. Und alle Sehnsucht der vergangenen Jahre.
    Tabitha legte den Kopf zur Seite und sah Rouven gerührt an. »Du bist es«, sagte sie. »Du bist der Schlüssel in ihre Erinnerung. Du bist der Schalter, der ihr Herz berührt. Du hast in ihre Seele gesprochen. Mit deiner Stimme hast du ihre Seele gerührt.« Sie streckte eine Hand aus und ergriff die von Rouven. »Und ich danke dir dafür!«
    Nana löste sich aus der Umarmung. »Mit wem sprichst du?«, fragte sie und sah sich um. Ihre Augen weiteten sich, und erneut schossen ihr Tränen in die Augen. »Rouven?«, flüsterte sie unsicher. »Auch du bist hier?«
    Rouven nickte nur. Ihm fehlten die Worte zu dem, was gerade geschah. Und im nächsten Moment warf Nana auch schon ihren Arm um ihn und drückte ihn ebenfalls an sich. Sie küsste beide auf dieStirn. »Meine zwei Schätze im Leben«, sagte sie ergriffen. »Nun habe ich euch wieder.«
    Rouven genoss diesen Augenblick der innigen Nähe. Er spürte auch, wie Tabitha an seiner Seite sich entspannte. Und gleichzeitig fiel Rouven auf, dass auch er losließ. Für diesen einen Moment. Nur für diesen Augenblick übertrug er alle Verantwortung auf Nana. In diesen Sekunden durfte Rouven Kind sein. Alles von sich weisen. Alles abgeben. Nur, um diese Nähe zu spüren. Diese Geborgenheit.
    Für einen Moment.
    Doch als er sich wieder aufrichtete und sich vor sie stellte, da war es ihm, als erwache er aus einem stundenlangen Schlaf.
    »Nana, kannst du dich an weitere Dinge erinnern?«, fragte er. All seine Sorgen und Nöte waren wieder zurückgekehrt. Doch nun konnte er sich ihnen ein wenig gestärkter entgegenstellen.
    Tabitha zog ihren Kopf von Nanas Schulter, sie stellte sich aber nicht hin. Zu sehr genoss sie die Nähe der alten Frau. Zu lange hatte sie darauf verzichten müssen.
    »Was meinst du?«, fragte Nana zurück, und zu Rouvens Erleichterung klang ihre Stimme noch immer bewusst und klar und fest.
    »Du weißt, wer ich bin?«
    Sie strahlte. »Du bist Rouven, die Krähe. Du bist der Wächter über die Halle der Seelen. Du bist unser Vertrauter im Kampf gegen alles Unrecht in der Welt. Durch dich erhalten wir Seelenschützer die Kraft, auf die Menschen zu achten und ihnen beizustehen.«
    Rouvens Herz schien Purzelbäume zu schlagen.
    »Du erinnerst dich!«, schrie er begeistert auf. »Nana! Nun sind wir doch nicht verloren.«
    »Verloren?«, erkundigte sich Nana besorgt. »Was willst du damit sagen?«
    »Jachael. Er bedroht uns. Er hat beinahe alle Seelenschützer entführt. Es fehlt nur noch ein Ehepaar. Und wir müssen von dir wissen, wer es ist.«
    Tabitha sah Nana erwartungsvoll an. »Kennst du alle Namen?«
    Nanas Blick verfinsterte sich. »Er ist wieder zurück?«, fragte sie. »Oh nein!« Sie nickte. »Ich habe zwar geschworen, sie niemals preiszugeben, doch bei dir, Rouven, ist das natürlich etwas anderes.«
    Rouvens Hoffnung wuchs und wuchs. »Bitte nenne mir alle Namen. Ich kenne die Eheleute, die entführt wurden. Mir wird sofort auffallen, wenn du Namen nennst, die ich nicht kenne. Und diese Leute müssen wir dann finden. Wir müssen sie davor bewahren, in die Fänge von Jachael zu geraten.«
    Auch Nana strahlte. »Ein guter Plan, Rouven. Wir müssen verhindern, dass diese Leute ebenfalls entführt werden. Es würde das Ende allen Friedens bedeuten, wenn auch noch diese letzte Familie in die Hände von Jach… von Jach…« Sie hustete.
    Tabitha beugte sich zu ihr vor. »Was hast du?«
    »Jach… Jach…« Nana war es nicht möglich, den Namen auszusprechen. Sie fuhr sich mit beiden Händen an den Hals, gerade so, als ersticke sie gerade. »Jach… Jacha…« Sie würgte. Sie hechelte nach Luft. Sie warf sich zur Seite.
    Tabitha schrie auf. Sie und Rouven knieten sich neben Nana, die hektisch um Luft rang. »Jach…«
    »Tu etwas, Rouven«, schrie Tabitha, doch in diesem

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