Sichelmond
Sekunde, die verstrich, kam sich Mathida alberner vor. Es war unsinnig gewesen, sich darauf einzulassen. Nur mit Mühe konnte sie sich auf das alles einlassen.
»Schließen Sie bitte die Augen, und konzentrieren Sie sich auf meine Stimme, Rosemarie.«
Nana schloss die Augen und ließ sich tatsächlich darauf ein.
»Meine Stimme wird Sie führen«, begann Mathida den Prozess. Sie sprach beruhigend auf Nana ein, und mit jedem Wort entspannte sich Nana mehr und mehr.
Rouven nickte Mathida zur Bestätigung zu, und sie leitete die Hypnose weiter ein.
Bis sie zur Zeitreise einlud. »Rosemarie, bitte nennen Sie mir einen Moment in Ihrem Leben, der Ihnen besonders wichtig war«, sagte Mathida. »Eine Situation, die sie überglücklich …«
Mathida kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn schon gab Nana die Antwort: »Meine erste Begegnung mit Rouven«, sagte sie klar und bestimmt, und über ihr Gesicht zog sich ein leichtes Lächeln.
Rouven stand hinter dem Sessel und war gleichsam überrascht und ergriffen.
»Von Kindheit an bin ich auf dieses Treffen vorbereitet worden«, sagte Nana. »Jahrelang hatte ich mich auf den Moment gefreut, Rouven endlich kennenzulernen. Ich hatte ihn mir groß und nett und freundlich vorgestellt. Doch als ich ihn dann sah … Da wurden alle meine Hoffnungen weit übertroffen. Nie in meinem ganzen Leben bin ich einem vergleichbaren Menschen begegnet.«
Rouven wurde rot vor Verlegenheit. Tabitha auf ihrem Platz kicherte leise, als sie es bemerkte, wodurch Rouvens Kopf nur noch roter anlief. Verlegen schaute er unter sich.
Gleichzeitig wurde er von riesiger Erleichterung erfasst. Die Hypnose funktionierte. Nana konnte sich erinnern. Vielleicht hatten sie alle doch noch eine Chance gegen Jachael. Sie brauchten nur einen Namen. Einen Familiennamen. Und die Straße, in der sie das Ehepaar finden konnten, das sich, ohne es zu wissen, in höchster Gefahr befand.
Mathida blickte von dem Fussel am Sessel zu Rouven hinauf und flüsterte kaum hörbar: »Erhalten Sie Antworten?«
Rouven nickte.
»Und sind es die, die wir benötigen?«
Rouven wurde verlegen. Er konnte doch die Lobeshymnen auf seine Person nicht wiederholen. Das wäre ihm etwas peinlich gewesen. Darum sagte er schnell: »Fragen Sie nach den Seelenschützern.«
Mathida verstand nicht, tat ihm aber den Gefallen. »Rosemarie, sagt Ihnen der Begriff Seelenschützer etwas?«
Das Lächeln in Nanas Gesicht verschwand. »Woher wissen Sie davon?«, fragte sie skeptisch.
Rouven bemerkte die Reaktion, wusste sie jedoch nicht einzuschätzen. »Weiter«, bat er daher Mathida, und sie fragte erneut nach: »Können Sie mir etwas über die Seelenschützer sagen?«
Nanas Blick versteinerte beinahe. Sie kämpfte gegen die Hypnose an. Sie spürte wohl, wie sie in diesem Trance-Zustand bereit war, Antworten zu geben, doch gleichzeitig sträubte sich alles in ihr.
»Ich kann dazu nichts sagen. Ich habe es gelobt und geschworen. Bitte unterlassen Sie diese Fragen!«
Rouven war beeindruckt. Er hatte ja selbst erlebt, wie sehr Mathidas Hypnosetechnik die Zunge löste. Es wurde ihm klar, wie groß die Loyalität von Nana ihm gegenüber sein musste. Ihr Vertrauen und sicher auch das der anderen sechs Seelenschützer-Familien schien äußerst intensiv zu sein.
Mathida schaute hilflos auf Rouven. Sie brauchte einen Impuls von ihm. Eine Frage. Eine Antwort. Irgendetwas.
Doch stattdessen sprach Rouven selbst zu Nana: »Rosemarie. Ich bin hier«, sagte er, und augenblicklich hellte sich Nanas Gesicht wieder auf. »Rouven? Du bist hier? Wie wunderbar!«
»Ich bin hier und freue mich, dich zu sehen.«
Nana streckte beide Hände aus. »Oh, ich freue mich auch, dich zu sehen. Wie ist es dir ergangen in der letzten Zeit?«
Rouven verließ seinen Platz hinter dem Sessel, kniete sich direkt vor Nana auf die Erde und erfasste ihre Hände.
Mathida rückte auf ihrem Stuhl ein Stück zurück und beobachtete gebannt, was sich vor ihren Augen abspielte. Sie sah Rouven, wie er vor dem Sessel kniete und nun an ihrer Stelle auf den hellen Fussel einsprach. Allerdings mit einer Ruhe in seiner Stimme, die wahre Freundschaft und höchstes Vertrauen widerspiegelte.
»Tatsächlich erging es mir nicht so gut, Rosemarie«, sagte er. »Jachael ist wieder hier.«
Bei dem Namen ihres Widersachers zuckte Nana sichtbar zusammen. Ihre Augen öffneten sich. Sie starrten über Mathida hinweg, doch Nana verharrte weiter in ihrem Trance-Zustand. »Oh nein. Er ist hier?
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