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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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Das ist schrecklich!«
    »Weißt du etwas darüber?«
    Nana dachte angestrengt nach. Allerdings fiel ihr das Erinnern wohl leichter als zuvor, denn jetzt, hier in Mathidas Sessel, unter dem Einfluss der Hypnose und Rouvens Stimme, hatten ihre Augen wieder den alten Glanz gewonnen. Sie blickten klar und scharf, so wie in dem Moment des Erinnerns im Wasserwerk.
    Rouven wusste also, dass er sich auf Nanas Antworten verlassen konnte.
    Und tatsächlich stieß Nana plötzlich Worte aus, die Rouven zusammenzucken ließen: »Er hat mich besucht«, sagte sie bestimmt. »Er war bei mir zu Hause gewesen.«
    »Wann?«, hakte Rouven nach. »Wann war er bei dir?«
    Nana dachte fieberhaft nach. »Es ist schon ein paar Jahre her. Ich kam von einem Spaziergang. Ja, ich war spazieren.« Ihr Blick wurde noch schärfer. Rouven erkannte, dass sie vor ihrem geistigen Auge den Abend, den sie beschrieb, noch einmal sah.
    »Ich war bei Tabitha«, sagte Nana. »Es war an einem Sonntag. Wie immer hatte ich sie am Fenster besucht. Ihr Vater ließ stets die Vorhänge offen, sodass ich sie im Schlaf beobachten konnte.«
    »Wie alt war sie an diesem Abend?«, fragte Rouven.
    »Neun«, antwortete Nana. »Sie hat wie immer fest geschlafen. Ich habe ihr schöne Träume gewünscht und bin dann nach Hause gegangen.«
    »Was geschah dann?«
    Nana zögerte. Sie rief sich die gesamte Situation wieder ins Gedächtnis. »Schon als ich eintrat, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. In der Wohnung herrschte eine bedrückende, beklemmende Atmosphäre. Es fiel mir schwer zu atmen, und ich fühlte mich von einem Augenblick auf den anderen nicht mehr wohl in meiner Haut.«
    »Woran lag das?«
    »Zunächst konnte ich es mir auch nicht erklären. Erst, als ich ein lautes Schnalzen hörte, wurde mir bewusst, dass ich Besuch hatte.«
    »Jachael?«, fragte Rouven.
    Nana nickte. »Er saß in der Küche am Tisch. Er hatte auf mich gewartet und grinste mir nun in seiner fürchterlichen Art entgegen. ›Na, Verwandtenbesuche, so spät am Abend?‹, hatte er gefragt. Ich wollte ihm keine Antwort geben. Er schien ja zu wissen, woher ich kam. Also begann er zu sprechen. Er   … er   …« Nana stockte. Sie verzog angewidert das Gesicht.
    Rouven überlegte, ob er ihr weiter zumuten konnte, sich zu erinnern, doch in diesem Moment fuhr Nana bereits fort. Allerdings sprach sie langsamer und leiser. »Er stand auf. Er kam auf mich zu. Er packte mich am Arm, zwang mich dazu, mich auf einen Stuhl am Tisch zu setzen. Dann setzte er sich mir gegenüber und begann zu reden.« Wieder stockte sie. Gerade so, als müsse sie kurz Kraft schöpfen, bevor sie fortfuhr. »Von seinem großen Plan hat er mir erzählt. Von seiner letzten Herausforderung. Er wollte sich noch einmal mit dir messen, Rouven. Er wollte einen letzten entscheidenden Kampf herbeiführen. Alles das hatte er mir gesagt, und ich wunderte mich noch, warum er sich mir so offen anvertraute. Ihm musste doch klar sein, dass ich seinen Plan vereiteln würde, sobald er gegangen war. Er konnte sich doch denken, dass ich den anderen Seelenschützern berichten würde. Doch er erzählte mir alles in allen Einzelheiten. Er wollte schon in wenigen Jahren damit beginnen, die Seelenschützer zu entführen. In jeder Neumondnacht ein Ehepaar. Er wollte dich schwächen. Dir deine Verbündeten und Vertrauten nehmen. Einen nach dem anderen. Immer in einer Neumondnacht, also dann, wenn du am verwundbarsten bist, Rouven. Ohne die Kraft des Mondes. Und vor allem ohne deine Seelenschützer. Ohne sie wärst du ein Nichts, sagte er. Doch ich widersprach ihm. Ich fragte ihn, wieso er glaube, dass du all das geschehen lassen würdest? Wieso er glaube, dass du nicht über deine Seelenschützer wachst und ihm zuvorkommst.«
    Nun blickte Nana angewidert zur Seite. Sie schluckte, bevor sie fortfuhr. »Er lachte laut auf. Es war ein entsetzliches, ein irres Lachen. Dann schnalzte er mit seiner Zunge. Geradezu genüsslich. Mir war klar, dass er seinen Plan liebte. Dass er sich darauf freute, dich zu bekämpfen und zu besiegen. Denn dass er dich besiegen würde, daran ließ er keinen Zweifel. Und dann sagte er die Worte, die mich tief trafen: ›Es gibt da eine Sache, die mir schon so manche Seele in die Hand gespielt hat‹, sagte er, und ich wusste erst nicht, was er meinte. ›Die Liebe hat schon manches Hirn so verworren, dass ich leichtes Spiel hatte‹, sagte er. Und da ahnte ich langsam, was er vorhatte. ›Erinnerst du dich an Rouvens Blick, als

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