Sichelmond
Jachael vor über eintausend Jahren entgegengestellt hatte. Es war ihm gelungen, Jachaels Plan, die Seelenschützer zu entführen, zu vereiteln.
Dieses Mal jedoch hatte Jachael vorgesorgt. Es hatte ihn Jahrhunderte der Geduld gekostet, doch dann, als mit Tabitha ein besonderer Mensch für Rouven geboren worden war, hatte Jachael seine Chance kommen sehen. Über die Liebe Rouvens zu Tabitha hatte er Rouven schwächen können. So sehr, dass alles andere für ihn ein Kinderspiel gewesen sein muss. Ein Kinderspiel. Hatte Jachael in der Kapelle nicht genau das gesagt? Für ihn war das alles nur ein Spiel? Er hatte nacheinander die Familien entführt. Er hatte geduldig zahlreiche Generationen abgewartet und einige Jahrhunderte an seinem Plan gefeilt, bevor er Rouven über die Symbole an den Türen hinzugerufenhatte. Die Kampfspuren an Rouven, die er an den Morgen nach den Neumondnächten an sich entdeckt hatte, zeugten davon, dass Rouven wohl versucht hatte, die Familien zu verteidigen. Oder aber Jachael hatte Rouven die Wunden nur aus Spaß am Foltern zugefügt.
Und zu allem Übel hatte er auch noch Nana mit Gedächtnisverlust gestraft. Hatte ihr alle Erinnerung, ja sogar letztendlich die Persönlichkeit genommen, damit sie Rouven ihre Nichte Tabitha als neue Kontaktperson anvertrauen konnte. Und Jachaels Plan war aufgegangen. Alles war so gekommen, wie er es in die Wege geleitet hatte.
In Rouven erwachte eine unbändige Wut. Beinahe rasend vor Zorn fiel es ihm schwer, sich zu beherrschen.
Mathidas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken: »Rouven, was ist mit dir? Du schaust aus, als … Ist alles in Ordnung? Was hat sie gesagt?«
Rouven warf den Kopf herum und sah Mathida an. »Bitte, holen Sie Nana wieder langsam aus der Hypnose, ja? Wecken Sie sie ganz sanft.« Er wandte sich an Tabitha, die erschrocken und bestürzt auf dem Sofa saß. »Und du, Tabitha, bring sie zurück zum Wasserwerk. Sorg dafür, dass sie sich dort wieder wohlfühlt.«
»Und du?«, fragte Tabitha.
»Ich habe etwas zu erledigen«, war die Antwort. »Auf mich wartet eine Aufgabe, der ich mich stellen muss.«
Und mit diesen Worten rannte er aus der Tür.
T allwitz starrte auf das Bild, doch Mayers hielt nicht lange inne. Schon drehte er das Buch wieder um und schlug hastig die nächsten Seiten auf. Tallwitz huschte an seine Seite und schaute mit hinein.
Mayers blätterte die winzigen Seiten vor und zurück.
»Verstehst du, was das soll?«, fragte er schließlich Tallwitz.
Der starrte angestrengt auf die wenigen Einträge des Buches. »Weiß noch nicht«, gab er zur Antwort.
Mayers schaute erneut in das Buch hinein. Einige Seiten waren noch unbenutzt. Auf die anderen waren meist Abkürzungen geschrieben. Wieder sehr ordentlich und in feinster Handschrift. Meistens handelte es sich um zwei oder vier Buchstaben, die nebeneinander standen, jeweils mit einem kleinen Punkt an der Seite. Einige völlig allein auf einer ganzen Seite, andere mit einer Vielzahl weiterer Buchstaben, die übereinander oder nebeneinander angeordnet waren. Stets zu zweien gebündelt und mit Punkt versehen.
Mayers blätterte erneut, doch Tallwitz wies ihn zurecht. »Nein, warte! Gleich hab ich’s!«
Mayers war verblüfft. »Was? Echt? Womit haben wir es zu tun? Geheimschrift? Code? Rätselseiten für die Tageszeitungen?« Es fiel ihm schwer, zu unterdrücken, dass er sich über sich selbst ärgerte. Immerhin war er der Vorgesetzte, und seiner Meinung nach war es an ihm, das Geheimnis des Buches zu entschlüsseln. Doch Tallwitz kam ihm tatsächlich zuvor.
»Ich zeig’s dir«, schlug Tallwitz schließlich vor und nahm Mayers das Buch aus der Hand. Er zeigte auf den Eintrag einer Seite, die sichim Buch weiter hinten befand. »Sieh her, dort steht M.B. neben C.B. und darunter T.B. «
»Ist klar«, brummte Mayers verstimmt, denn alles das sagte ihm noch immer nichts. »Sehe ich. Und jetzt?«
»Jetzt ersetzt du das durch Namen. M.B. ist …«
»… Michael Berns«, fuhr ihm Mayers dazwischen. Glücklich, nun doch nicht unfähig dazustehen. » C.B. ist Carolin Berns, seine Frau, und T.B. steht natürlich für …«
»… Tabitha. Genau!« Tallwitz blätterte eine Seite vor. »Und nun hier: Neben M.B. und C.B. steht R.M. und B.M. «
»Ist klar«, strahlte Mayers weiterhin. »Rosemarie Mallert und Bernie Mallert.« Er nahm das Buch wieder in seine Hände und blätterte herum. »Hier: F.B. und K.B. , das sind Ferdinand Blumberg und seine Frau Klara Blumberg
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