Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
Vom Netzwerk:
aus, um auf seiner Meinung zu beharren. »Wie ich gesagt habe.«
    »Ich weiß nicht, was es ist«, brummte Mayers erschöpft. »Ich weiß nur, dass ich wieder einmal dem Jungen erlegen bin. Hoffentlich geht das gut!«

N achdenklich legte Rouven das Telefon zur Seite.
    Tabitha beobachtete ihn ungeduldig. »Und?«
    »Er gibt uns ein paar Tage«, antwortete Rouven. »Das ist nicht viel.«
    »Aber es ist immerhin etwas«, antwortete Tabitha. »Erstaunlich, dass er sich darauf einlässt.«
    Rouven lächelte. »Er glaubt, ich hypnotisiere die Menschen.«
    »Echt? Das glaube ich aber nicht. Ich konnte dich beobachten, mit dem Obdachlosen, der dieses merkwürdige Spanisch gesprochen hat. Das war keine Hypnose. Ich weiß nicht, was es ist, aber Hypnose   …« Sie verstummte.
    »Was ist?«
    Tabitha legte die Stirn in Falten. Sie dachte angestrengt nach. »Hypnose«, murmelte sie.
    »Tabitha, woran denkst du?«
    Nun war sie es, die aus der Schublade des Flurschranks das Telefonbuch herauszog. Wild blätterte sie darin herum. »Ihr Name war irgendwas mit B «, murmelte sie kaum verständlich. »Ausländisch. Aber etwas mit B   …«
    »Tabitha, nun sag mir endlich   …«
    Das Blättern hatte ein Ende. Tabitha strahlte Rouven an. »Baswani«, rief sie aus und strahlte über das Gesicht, als habe sie im Lotto gewonnen. »Mathida Baswani. Ich wusste es doch.«
    Rouven sah sie bereits flehend an. »Sag mir doch endlich, was das soll.«
    »Ich war noch ein kleines Kind«, erklärte Tabitha, noch immerbestens gelaunt. »Mein Vater wollte sich das Rauchen abgewöhnen. Er hatte es mit allen möglichen Mitteln und Tricks versucht: Spritzen, Pflaster, Gummibärchen, Gruppentherapie. Aber nichts hatte geholfen. Dann ist er zu Frau Baswani gegangen. Und sie hatte ihm helfen können.«
    Nun verstand Rouven gar nichts mehr. »Ihm konnte sie helfen, okay. Aber mir? Ich rauche nicht. Und ich habe es auch nicht vor. Ich brauche niemanden, der es mir beibringt.«
    Tabitha lachte auf. »Darum geht es nicht. Mathida Baswani ist Hypnotiseurin. Ich habe mich an sie erinnert, als du jetzt davon gesprochen hast.«
    Allmählich verstand Rouven. »Und du denkst, ich sollte   …«
    »Deine fehlende Erinnerung. Die Bilder, die du immer wieder vor Augen hast. In deinem Unterbewusstsein herrscht das blanke Chaos. Und wir brauchen jemanden, der da Ordnung schafft.«
    »Mit Hypnose?«
    »Ein Versuch ist es wert, findest du nicht?«
    Rouven schaute zu dem alten Buch, das noch immer auf dem Tisch lag. »Ich soll doch den Symbolen folgen«, gab er zurück.
    »Eben!« Tabitha blieb bei ihrer Meinung. »Lass uns in deinem Unterbewusstsein ein bisschen herumstöbern. Vielleicht finden wir dort auch die Symbole wieder. Dann aber vielleicht in einem Zusammenhang. Und vielleicht sogar bedeutend schneller, als wenn du ein paar Wochen über dieser Keilschrift hängst.«
    Rouvens Abneigung legte sich ein wenig. »Ich weiß nicht   …«
    »Aber ich«, antwortete sie und zog ihn an der Hand aus dem Haus. »Vertrau mir!«
    »Moment! Wir dürfen das Wichtigste nicht vergessen!« Rouven rannte zurück zum Tisch, schnappte sich das Buch und steckte es in einen Jutebeutel, der zusammengefaltet auf einem Regalbrett neben der Zimmertür lag. Dann ließ er sich von Tabitha nach draußen führen.
    Tabithas gute Laune und die Hoffnung, die sie mit der Hypnoseverband, steckten ihn an. Sie wirkte wie aufgedreht. Rouven vermutete, dass sie sich so kopfüber in seine Angelegenheiten stürzte, um ihren eigenen Fragen aus dem Weg zu gehen.
    Vor allem aber war es wie eine Befreiung, endlich dieses Haus verlassen zu können, in dem er in der vergangenen Nacht wohl erneut zugeschlagen hatte. Die frische Luft, die Sonnenstrahlen, all das wirkte wie ein Streicheln seiner Seele. Das alles und Tabithas Anwesenheit. Sie war hier. Sie war echt.
    »Wo bist du gewesen in den Wochen, die ich in der Zelle gesessen habe?«, fragte er unvermittelt. Er hatte sich diese Frage nicht vorbereitet. Sie war ihm so eingefallen. Beinahe so, wie man beim Plaudern nicht jedes Wort abwägt.
    Doch an Tabithas Reaktion konnte er ablesen, dass es die falsche Frage gewesen war. Abrupt blieb sie stehen. Ihre gute Laune schien wie weggefegt. Ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht, als sie sagte: »Rouven, etwas stimmt nicht mit mir!«
    »Betrifft es das, worum wir uns am letzten Abend gestritten haben?«, wagte er zu fragen, und als sie nickte, bereute er endgültig, seine Frage vorhin gestellt zu haben. Alle

Weitere Kostenlose Bücher