Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
Vom Netzwerk:
vorging. Gebannt saßen sie am Tisch vor dem geöffneten Buch und starrten auf die Seite.
    Bis Rouven schließlich das Schweigen brach. »Folge den Symbolen«, sagte er leise. »Das war es, was er gesagt hatte, nicht wahr, Tabitha? Und das war es auch, was auf dem Zettel stand, den jemand Nana auf den Tisch gelegt hatte.«
    Auch sie brach ihr Schweigen, allerdings ohne von dem Buch aufzusehen. Mit der linken Hand suchte sie die Stelle an ihrem rechten Unterarm, in dessen Haut die Zeichen geritzt waren. »Das waren auch die Worte, die er mir ins Ohr geflüstert hatte.« Sie schüttelte sich. »Mit seiner unheimlichen Stimme.«
    »Folge den Symbolen«, wiederholte Rouven nachdenklich. »Den Symbolen   …« Er griff nach dem Buch und blätterte vorsichtig ein paar Seiten durch. Sehr viel Schrift bekam er zu sehen und auch weitere Zeichnungen. Jedoch kein Bild mehr, das ihm einen solchen Schrecken einjagte. »Den Symbolen folgen«, murmelte er grübelnd. Schließlich schlug er das Buch zu. Er hatte einen Entschluss gefasst. »Ich werde nicht zurück ins Gefängnis gehen«, teilte er Tabitha mit. »Jetzt, wo du hier bist, und jetzt, wo wir dieses Buch in den Händen haben, werde ich keine weitere Zeit in einer Zelle verlieren. Sie bietet ohnehin keinen Schutz, wie du siehst.«
    »Was genau hast du vor?«
    Rouven legte eine Hand auf das Buch. »Ich werde das tun, was mir gesagt wurde: Ich werde den Symbolen folgen!«
    Tabitha wirkte unschlüssig. »Und die Gefahr, die das mit sich bringt?«
    »Schau mich doch an. Alles, was ich mache, birgt eine Gefahr. Ich muss endlich erfahren, wer ich bin und was das alles soll.«
    Endlich stimmte Tabitha zu. »Ich bleibe an deiner Seite!«
    »Danke!«
    Rouven erhob sich und ging in den Hausflur. Er durchwühlte die Schubladen des Schrankes, auf dem das Telefon stand, bis er das Telefonbuch der Stadt gefunden hatte. »Die Leute verstauen es immer hier«, kicherte er. Dann suchte er die Rufnummer des Polizeipräsidiums, griff sich den Telefonhörer und wählte die Nummer.
    Tabitha beobachtete ihn dabei. Und sie versuchte zu ergründen, was Rouven vorhatte, als sie ihn sagen hörte: »Verbinden Sie mich bitte mit Herrn Mayers, ja?«

D er schrille Ton von Mayers’ Diensthandy riss die drei Männer aus ihren Grübeleien. Noch immer saßen sie sich im Sicherheitsraum gegenüber und überlegten, wie sie in dieser besonderen Situation reagieren sollten.
    Mayers erkannte sich nicht mehr wieder. Hier saßen sie, und ihnen lief die Zeit davon. Und noch viel schlimmer: Genau genommen hatten sich die drei bereits strafbar gemacht, weil sie Rouvens Flucht nicht sofort gemeldet hatten. So etwas war bisher in Mayers Leben undenkbar gewesen. Er galt als sehr pflichtbewusst und zuverlässig. Ebenso wie Tallwitz. Deshalb waren sie wohl auch nachweislich das erfolgreichste Ermittler-Duo der Stadt.
    Aber jetzt? Jetzt ließen sie sich von einem Jugendlichen aus der Bahn werfen, der sie alle anscheinend beeinflussen konnte. Ob mit Hypnose oder nicht war egal, aber irgendetwas ging mit ihnen vor. Sie alle standen in so etwas wie einem Zauber, der von dem Jungen ausging. Und diese Tatsache gefiel Mayers überhaupt nicht.
    Es war Zeit, sich dagegen zu wehren. Mayers zog das Handy aus seiner Tasche. Dieser eine Anruf noch, dann würde er sofort Meldung machen. Er drückte die grüne Taste seines Handys und nahm den Anruf an: »Ja, Mayers?«
    »Ich bin’s, Herr Mayers. Rouven.«
    Mayers verschlug es die Sprache. Wenn er mit allem gerechnet hätte, niemals aber damit.
    »Ich hoffe, ich störe Sie nicht«, sagte Rouven. Und diese Unbeholfenheit nahm Mayers die Erstarrung. Er gab Tallwitz und Bertoli ein Zeichen, dass sie sofort verstanden, wer am anderen Ende war.
    »Ach nein, mach dir keine Gedanken«, antwortete er ironisch. »Du hältst mich nur gerade davon ab, Alarm zu schlagen. Weißt du, heute Nacht ist uns einer unserer Insassen abhandengekommen.«
    »Tut mir leid«, erwiderte Rouven, und für Mayers klang es sogar aufrichtig. »Wenn ich Ihnen jetzt sage, dass ich selbst nicht weiß, wie es dazu kam, dann werden Sie mir nicht glauben, oder?«
    Mayers lachte. »Weißt du, allmählich wundere ich mich über gar nichts mehr. Aber wie wäre es, wenn du hierherkommst, und wir sprechen in Ruhe darüber?«
    »Dachte mir schon, dass dieser Vorschlag kommt«, hörte der Polizist Rouven sagen. »Aber deshalb rufe ich ja an. Ich möchte Ihnen sagen, dass es etwas dauern kann, bis ich wiederkomme.«
    Jetzt kam

Weitere Kostenlose Bücher