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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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schließlich. »Es war schrecklich. Weltweit berichteten die Medien darüber. Vor allem, dass man die Morde nie aufgeklärt hatte, stieß natürlich auf ein großes Interesse bei   …«
    »Morde?« Rouven sprang von seinem Platz. Auch Tabitha war erschrocken.
    Mathida blickte zum Fenster. »Kennst du den kleinen Friedhof am Hafen? Diesen uralten Friedhof, an dem es eine kleine Kapelle gibt?«
    Rouven dachte nach. »Möglicherweise. Ja. Ich halte mich nicht viel in der Stadt auf.«
    »Ich kenne ihn sehr gut«, erwiderte allerdings Tabitha. »Als Kind bin ich dort oft gewesen.«
    Mathida, die Tabithas Worte nicht hören konnte, fuhr fort: »Dort, auf dem Friedhof, nahe dieser Kapelle ist es geschehen. MehrereMenschen sind dort getötet worden. In einer einzigen Nacht. Und Tabitha gehörte dazu.«
    »Wie ist sie gestorben?«, forschte Rouven nach und sprach damit auch Tabithas dringlichste Frage aus.
    Mathida schaute auf ihre Hände. Verlegen. Sie suchte nach den richtigen Worten für diese scheußliche Tat. Doch wie hätte sie so etwas schonend verpacken können? Also sprach sie es so aus, wie es geschehen war: »Man hatte ihr das Herz herausgerissen.«
    Rouven hielt sich die Hand vor den Mund und setzte sich geschockt. Tabitha starrte fassungslos auf Mathida.
    »Hörst du mich, Tabitha?«, fragte die Frau schnell. »Das alles tut mir fürchterlich leid. Es war entsetzlich. Auch die anderen Leichen wiesen ähnlich schreckliche Verletzungen auf. Es tut mir so leid.«
    Rouven blickte auf Tabitha, die wie erstarrt an der Stelle stand. Gerade wollte er sie in den Arm nehmen, als Tabitha sich regte. Ihre Hand hob sich, griff an den Kragen des Shirts unter ihrer Strickjacke und zog den Stoff hinunter. So weit, dass man ihre Haut an der Stelle sehen konnte, an der sich das Herz befand. Sie zuckte sichtbar zusammen. Eine riesige Narbe zog sich über die Haut. Eine tiefe Wunde.
    Tabitha blickte zu Rouven auf. »Frag sie«, bat sie Rouven in einem Ton, der Rouven erschreckte.
    Rouven wusste sofort, was sie meinte. »Ich kann nicht«, gab er zurück. »Ich will es nicht wissen.«
    »Bitte«, hakte Tabitha nach. »Natürlich willst auch du es wissen. Frag sie!«
    Rouven seufzte tief. Ja, sie hatte recht. Er wollte nicht   – er musste   – wissen, ob   …
    Langsam wandte er sich zu Mathida um, sah ihr in die Augen und fragte: »War es eine Neumondnacht, in der das alles geschehen ist?«
    Mathida dachte nach. »Das weiß ich nicht«, gab sie zu. »Aber das kann ich in Erfahrung bringen.« Sie erhob sich von ihrem Platz und ging zu einem der Schränke. Rouven zwang sich zu innerer Ruhe.Jede Sekunde, die verstrich, verstärkte seinen Druck nur noch. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
    Mathida durchsuchte einen der Schränke. Sie wühlte und scharrte in dem Möbelstück herum, bis sie einen Taschenkalender zutage förderte.
    »Ich sammle alle meine Notizen«, sagte sie erklärend. »Alter Tick von mir. Dieser Kalender ist sieben Jahre alt. Das Datum des Unglücks ist mir bekannt. Niemals werde ich diesen Tag vergessen. Den Anruf von Tabithas Vater. Meine Reaktion, als   …«
    Ihr Blick fiel auf Rouven, der sie fieberhaft, mit hochrotem Kopf anblickte, und Mathida verstummte. Sie eilte sich, auf ihren Sessel zu kommen, und schlug den Kalender auf. Sie sah hinein, schaute zu Rouven auf, dann drehte sie den Kalender so herum, dass Rouven die Seite des betreffenden Tages sah. Er erkannte das Datum. Er erkannte die Eintragungen Mathidas. Und er erkannte das kleine gedruckte Symbol in der oberen Ecke. Diesen kleinen schwarzen Punkt. Diesen ausgefüllten Kreis   – das Symbol für eine Neumondnacht.
    »Verlass dich nur auf meine Stimme«, sagte Mathida. »Lass dich von ihr leiten.«
    Rouven nickte zwar, doch gleichzeitig machte er ein zweifelndes Gesicht. »Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Ich bin bestimmt nicht der Mensch, der sich leicht in Hypnose versetzen lässt.«
    Mathida saß auf dem Sessel ihm gegenüber und lächelte. »Das sagen alle«, gab sie mit einer ruhigen Stimme zur Antwort.
    Rouven spürte, wie sich seine Muskeln entspannten. »Kann ich mir vorstellen. Dennoch: Ich entschuldige mich schon jetzt, dass es nicht klappt.«
    Mathida sprach weiter beruhigend auf ihn ein: »Wenn du das möchtest. Entschuldigung angenommen.«
    Hinter ihr stand Tabitha und verfolgte mit klopfendem Herzen, was in dem Wohnzimmer Mathidas vorging. Ihre rechte Hand ruhte auf ihrer Brust, an der Stelle, an der sich ihr Herz

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