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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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verträgt auch genießbares Essen.«
    »Dann lasst uns aufbrechen«, bat Mayers und zog begeistert und zufrieden mit den beiden ab.

T abitha gab auf. Sie rannte nun schon seit einigen Stunden durch die Straßen der südlichen Vorstadt, auf der Suche nach Rouven. Ihre Tränen waren inzwischen getrocknet, der Schreck über Rouvens Reaktion, als er schreiend und um sich schlagend aus der Hypnose erwacht war, hatte sich ebenfalls gelegt. Nun war sie einzig von der Sorge um ihn getrieben. Sie hatte Angst, dass ihm etwas zustieß. So aufgewühlt und völlig irritiert wie ihn hatte sie bisher noch keinen Menschen erlebt. Vor allem verstand sie nicht, was vorgefallen war. Zu gern hätte sie gewusst, welche Bilder, welche Gefühle in Rouven während der Hypnose aufgekommen waren. Sie wollte einzig wissen, was es sein konnte, das einen Menschen so sehr aus der Bahn warf. Wofür hatte er sich bei ihr entschuldigt?
    »Rouven!« Zum hundertsten Mal rief sie seinen Namen. Doch wieder einmal erhielt sie keine Antwort.
    Sie seufzte und ließ die Schultern hängen.
    »Rouven.« Dieses Mal flüsterte sie es. Sie wandte sich um und ging zurück in Mathidas Wohnung. Dort war alles geschehen. Vielleicht fand Tabitha dort einen Hinweis.
    Ohne sich umzusehen, den Kopf vor Verzweiflung hängend, ging sie ihren Weg. So sehr in Gedanken versunken, dass sie gar nicht spürte, wie Menschen immer wieder durch sie hindurchliefen, ohne auch nur einen Hauch ihrer Anwesenheit zu verspüren.
    Die Tür war noch geöffnet. Tabitha suchte sofort den Weg durch das Bad in Mathidas aufgeräumtes Wohnzimmer. Und dort stand sie auch: Mathida. Ebenfalls völlig aufgewühlt und aufgedreht.
    Beim Eintreten Tabithas ging allerdings etwas in ihr vor. Plötzlichlegte sich die Unruhe in ihr und sie blickte sich um. »Tabitha?«, fragte sie. »Bist du jetzt hier?«
    Tabitha war verblüfft, dass die Frau es spüren konnte.
    »Bist du hier?«, fragte Mathida erneut. »Mir war gerade so, als sei ich nicht allein im Raum.«
    »Ich bin hier«, sagte Tabitha, doch Mathida hörte sie nicht. »Hier!«, rief Tabitha, jedoch ohne bei ihrem Gegenüber eine Reaktion feststellen zu können. Sie streckte ihre Hand nach Mathida aus, doch wie zuvor fegten ihre Finger wie durch einen Nebelschleier durch die Frau hindurch. Tabitha seufzte. Mathida hatte sie nur aufgrund ihrer hohen Sensibilität erspürt, vermutete sie. Und weil Mathida wusste, dass Tabitha sich in der Nähe aufhalten konnte. Es hatte sich nichts geändert.
    Mathida blickte sich suchend um. Sie drehte sich langsam auf der Stelle und versuchte fieberhaft irgendetwas zu erblicken, was ihr verriet, ob Tabitha tatsächlich um sie herum war.
    Und Tabitha hätte ihr gern zu verstehen gegeben, dass sie sich im Raum befand. Auch sie schaute sich um. Und plötzlich hatte sie eine Idee. Sie ging zu dem kleinen Spiegel, der an der Wand hing, und hauchte ihn an. Ihr Atem hinterließ tatsächlich einen kleinen Dunstnebel an der Scheibe, der sich jedoch so schnell wieder entfernte, dass Mathida ihn nicht bemerkte.
    Tabitha klopfte nun gegen den Spiegel, und sofort reagierte die Frau.
    »Tabitha? Warst du das?« Mathida blickte in die Richtung des Geräusches, und jetzt hauchte Tabitha noch einmal dagegen.
    Tränen der Freude stiegen Mathida in die Augen. »Du bist hier«, flüsterte sie und hielt sich begeistert beide Hände vor den Mund. »Du weißt nicht, wie ich mich freue«, stieß sie hinter ihren Fingern hervor.
    Tabitha hätte mit ihr reden wollen. Erneut schaute sie sich in dem riesigen Raum um. Dann ging sie zu der kleinen Sitzecke und nahm das Zuckerdöschen von dem Tisch, der dort zwischen Sesseln undSofa stand. Sie schüttete den Zucker aus und verteilte die winzigen weißen Körnchen über den ganzen Tisch.
    Mathida entdeckte, was dort geschah, und eilte zu der Sitzgruppe. Gebannt beobachtete sie das Zuckerdöschen, das zu schweben schien, und auch den Zucker, der sich wie von selbst auf dem Tisch verteilte. Und schließlich las sie das Wort, das Tabitha mit ihren Fingern in die weiße Zuckerdecke schrieb: »Hilfe.«
    Die Tränen der Rührung in Mathidas Gesicht wichen den Tränen der Hilflosigkeit, die sie jetzt völlig einnahm. Sie ließ sich vor dem Tisch auf die Knie sinken. »Oh, Tabitha«, sagte sie. »Liebes. Ich würde dir so gerne helfen. Doch ich weiß selbst nicht, was hier geschehen ist. Ich kann mir nicht erklären, was Rouven in der Hypnose gesehen haben soll oder was in ihm vorgegangen ist. Mir tut das

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