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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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alles so leid, Tabitha. So leid.« Nun waren es ihre Finger, die über den Zucker strichen, gerade so, als könnte Mathida über das Wort Tabithas das Mädchen selbst erreichen. »So leid   …«
    Tabitha stand an ihrer Seite. Mit ihren Fingerspitzen fuhr sie Mathida über den Kopf, ohne dass diese es spüren konnte. Sie hauchte ihr einen Kuss zu, dann wandte sie sich um und verließ den Raum. Hier konnte sie nichts mehr erreichen.
    Kaum war sie zur Haustür heraus, da kam Mathida ihr nachgerannt. »Tabitha«, rief sie. »Falls du mich noch hören kannst: Ich bin für dich da. Komm, wenn du weißt, wie ich dir helfen kann. Oder Rouven. Meine Tür steht immer für euch offen.«

E s duftete köstlich. Die drei Männer schauten begeistert auf die kunterbunt angerichteten Teller, die ihnen in dem chinesischen Restaurant an den Tisch gebracht wurden. Alle drei waren sich einig, dass sie sich diese Gaumenfreude verdient hatten.
    »Genießen Sie Ihr Essen, lieber Professor«, bat Mayers, während er die beiden anderen mit Reis aus einer Porzellanschüssel versorgte. »Wir danken Ihnen noch einmal sehr für Ihre Unterstützung.«
    Tallwitz gab seinem Kollegen recht. »Ich weiß zwar noch nicht, wie uns all Ihre Informationen nützen sollen, aber dass Sie uns heute Abend weitergeholfen haben, das steht außer Frage.«
    Der Professor freute sich. Dies war eine Stunde genau nach seinem Geschmack. Er wusste ehrliche Komplimente ebenso zu genießen wie ein richtig gutes Essen. Mit Löffel und Gabel stieß er in seine Schüssel und beförderte von dem angerichteten Gemüse eine übergroße Portion auf den Teller.
    »Da fällt mir ein, eine Kleinigkeit habe ich noch gar nicht erwähnt«, sagte er wie beiläufig.
    »So?« Mayers’ Teller war inzwischen ebenfalls ordentlich gefüllt.
    Professor Dattel winkte ab: »Ist vielleicht auch gar nicht wichtig.«
    »Das kann man nicht wissen«, widersprach Tallwitz und schob sich die erste volle Gabel in den Mund. »Worum handelt es sich denn?«
    »Noch einmal um die kleine Kapelle am Hafen.«
    Auch Mayers sprach bereits mit vollem Mund: »Was ist damit?«
    Der Professor hatte allerdings noch keinen Bissen getan. Er war noch dabei, die chinesischen Gemüsesorten auf seinem Teller nach Farben zu sortieren. »Wissen Sie«, sagte er dabei nachdenklich, »seitErbauung der Kapelle gibt es immer wieder Familien, die sich um den Erhalt des kleinen Gebäudes kümmern. Familien, die alles tun, um die Kapelle in einem guten Zustand zu belassen.«
    »Kann ich mir denken«, antwortete Mayers kauend.
    »Diese Familien, die über all die Jahrhunderte wirklich eine wunderbare Arbeit geleistet haben, stammen jeweils von den Familien ab, die um 860 herum entführt worden sind.«
    Mayers kaute schon etwas langsamer. »Und?«
    »Ich dachte, es interessiert Sie vielleicht, welche Familie bis zuletzt die Kapelle pflegte«, sagte Dattel und war nun dabei, sein Gemüse auf seinem Teller nach Vitaminen zu ordnen.
    In Mayers keimte der Verdacht, dass der Professor sehr wohl um die Bedeutung dessen wusste, was er zu sagen hatte. »Ja«, gab Mayers zurück. »Das wäre eine gute Information.«
    Der Professor blickte von seinem Teller auf und sah den Beamten nacheinander ins Gesicht: »Berns heißt die Familie, die sich seit einigen Jahrzehnten um die Kapelle kümmert.«
    Nun steckte sich der Professor endlich genüsslich einen bunt gefüllten Löffel in den Mund, während sowohl Mayers als auch Tallwitz bei dieser Information die Gabel im Mund stecken blieb.
    Der Professor lächelte. Wieder einmal war es ihm gelungen, sich seine kleine Bühne zu schaffen. Wieder einmal hatte er alle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt   – auch wenn es in diesem Moment nur die Aufmerksamkeit dieser beiden netten Polizisten war. Und so fügte er schnell noch einen letzten Gedanken an, wohl wissend, dass diese Ergänzung ganz bestimmt unnötig war: »Sie verstehen richtig, meine Herren. Herr und Frau Berns. Die Eltern von Tabitha Berns. Das Ehepaar, das schon so lange vermisst wird.«

T abitha eilte sich, in den Stadtpark zu kommen. In ihr war die Hoffnung erwacht, Rouven könnte in dem Wasserwerk sein. Sie wurde angetrieben von dem Gedanken, dass er dort neben Nana saß und auf sie wartete. Und ihr Gehen wurde zu einem Laufen. Ihr Laufen zu einem Rennen. Sie verlangsamte ihren Schritt erst, als sie außer Atem die schwere Eisentür des Wasserwerks erreichte. Mit klopfendem Herzen riss sie die Tür auf und eilte sich, in die Halle zu

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