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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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bewegte sich kein Stück.
    »Hören Sie mich?«, hakte Sattler nach. »Rouven, können Sie mal zu mir kommen, ich würde Ihnen gern die Hand geben.«
    Wieder zuckte Bertoli, doch Mayers antwortete schnell: »Erscheint in einer Art Schockzustand zu sein. Schon seit zwei Tagen sitzt er so auf seiner Pritsche. Wir haben in den Verhören nichts aus ihm herausbringen können.«
    Sattler hörte sich geduldig Mayers’ Bericht an. Dann wandte er sich wieder der Zelle zu. »So hören Sie doch, Rouven. Ich kann Ihnen vielleicht helfen. Ich habe Einfluss und bin vielleicht der Einzige, der Ihnen wirklich beistehen kann. Doch dazu müssen Sie mit mir sprechen. Oder mit Mayers und Tallwitz.«
    Bertoli hielt sich weiter an seine Anweisungen, und Sattler verlor die Geduld.
    »Bitte aufschließen«, sagte er energisch.
    Jetzt erschienen auch auf Mayers’ Stirn die ersten kalten Schweißtropfen, während Tallwitz bereits zu zittern begann.
    »Ich halte das für keine gute Idee«, erwiderte Mayers, doch Sattler blieb entschlossen.
    »Öffnen«, befahl er. »Sofort!«
    Tallwitz hielt die Luft an, und Mayers zögerte noch kurz. Doch dann musste er nachgeben. Er zog Bertolis Schlüsselbund aus der Jackentasche und steckte den Schlüssel ins Schloss.
    Kaum war das Klicken zu vernehmen, als plötzlich ein Jammern aus der Zelle zu hören war. Bertoli improvisierte. Er stöhnte und brummte und machte Geräusche, als litte er höchste Not.
    Sattler ergriff Mayers’ Hand, zog sie zurück und sperrte selbst die Zelle schnell wieder ab. »Was hat er?«
    »Wie gesagt, es scheint eine Art Schockzustand zu sein. Erst seit ein paar Tagen benimmt er sich so. Es ist wohl alles zu viel für ihn.«
    Tallwitz eilte zu Hilfe: »Eigentlich ein armer Hund«, sagte er. »Wenn man bedenkt, dass er vielleicht wirklich nicht der eigentliche Täter ist, dann musste er bereits einiges durchmachen.«
    »Aha.« Sattler schaute in die Zelle, allerdings dieses Mal mit einem sorgenvollen Gesicht. »Vielleicht haben Sie recht. Wir sollten ihn jetzt nicht weiterem Stress aussetzen. Mayers, ich bekomme bis morgen früh einen vollständigen Bericht zur Lage. Und in wenigen Tagen komme ich wieder, und dann spreche ich mit ihm. Und bis dahin bereiten Sie ihn so vor, dass ich mit ihm sprechen kann.«
    »Gern«, antwortete Mayers.
    Der Polizeipräsident wandte sich zu ihm um. »Um ehrlich zu sein, ich hatte meine Bedenken, ob Sie beide die Richtigen sind, um den Fall aufzuklären«, sagte er und bestätigte damit Mayers’ Vermutungen. »Durch die lange Wartezeit hatte ich die Befürchtung, Sie beide wären dem Ganzen nicht gewachsen. Doch nun verstehe ich: Sie gehen den Fall mit sehr viel Ruhe und Sorgfalt an. Und das ist normalerweise auch gut so. Doch jetzt, Mayers, stehen wir unter Druck. Wir müssen schnellstmöglich den Fall aufklären. Sehen Sie sich dazu in der Lage?«
    »Voll und ganz«, antwortete Mayers wie aus der Pistole geschossen. »Gerade jetzt, wo wir einige Beweise verknüpfen können und sich langsam ein Bild der Lage ergibt.«
    Sattler baute sich vor den beiden auf und legte jedem eine Hand auf die Schulter. »Ich baue auf Sie beide. Doch bitte enttäuschen Sie mich nicht. Wir brauchen endlich Erfolge«, sagte er noch, dann wandte er sich ab und ging mit den beiden Staatsanwälten aus dem Raum.
    Mayers atmete hörbar aus. Und Tallwitz atmete hörbar ein.
    »Ein Stein ist nichts gegen das, was mir vom Herzen fällt«, stöhnte Tallwitz. »Ganze Gebirge purzeln von mir herunter.«
    »Fragt mich mal«, seufzte Bertoli in der Zelle. Er warf sich die Decke ab und kam an die Zellentür   – mit hochrotem Kopf und schweißgebadet.
    Mayers steckte den Zellenschlüssel wieder in das Schloss und befreite Bertoli.
    »Ein beschissener Plan war das!«, fluchte der Italiener. »Ein durch und durch beschissener Plan!« Er funkelte Mayers aus seinen Augen an, dann warf er sich ihm an den Hals. »Aber der beste Plan, den es gab!«, rief er und drückte Mayers fest an sich.
    Der nickte nur und sagte: »Wir müssen Rouven finden. So schnell wie möglich!«

T abitha!«, schrie Rouven erneut über den Lärm hinweg, der die gesamte Kapelle ausfüllte. Doch auch dieses Mal war keine Antwort zu hören.
    Und plötzlich legte sich der Lärm. Das Beben in der Kapelle hörte auf. Die Flammen, die aus den kleinen Kerzenhüllen schossen, versiegten. Sie schwanden, bis sie wieder ihre typische Größe erreicht hatten. Und auch die Luft, die orkanartig durch den Raum wirbelte, kam

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