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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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dann schob er den Italiener in die Zelle und setzte ihn auf das Bett. Bertoli ließ es mit sich geschehen, auch wenn er noch immer nicht verstand, was das alles sollte.
    Mit vor Hast fliegenden Händen nahm Mayers die dicke braune Wolldecke von der Zellenpritsche und packte Bertoli darin ein. Er setzte den Beamten mit dem Rücken zu den Zellengittern und mit dem Gesicht zur Wand und sprach eindringlich auf ihn ein: »Was immer hier auch gleich geschehen wird, Sie verhalten sich ruhig. Ganz ruhig. Ist das klar? Nicht einmal ein Räuspern und vor allem: nicht die kleinste Bewegung. Haben Sie mich verstanden?«
    »Aber ich weiß doch nicht, was   …« Inzwischen quietschte Bertoli vor Nervosität.
    »Haben Sie mich verstanden?«, bohrte Mayers. »Keine Bewegung und keinen Ton. Dann haben wir eine Chance, die ganze Sache hier unbeschadet   …«
    Die Tür des Vorraums wurde geöffnet. Mayers hechtete aus der Zelle und schloss die Tür mit Bertolis Schlüssel ab. Gerade noch rechtzeitig, denn nur eine Sekunde darauf erschienen drei Männer i n der Tür. Alle drei in besten Anzügen, mit Krawatte und Aktenkoffer.
    »Herr   Dr. Sattler«, rief Mayers aus, und Tallwitz war wieder einmal überrascht, wie gut der Kollege seine Gefühle im Griff hatte. Von der Aufregung der letzten Minuten war Mayers nichts mehr anzumerken. Mit ausgestreckter Hand und scheinbar ruhigem Puls ging er auf die drei Besucher zu.
    Der Mann in der Mitte erwiderte den Gruß. »Mayers. Wie schön, Sie mal wiederzusehen. Wir beide haben schon lange nichts mehr miteinander zu tun gehabt, was?«
    »Zu lange, wenn Sie mich fragen«, gab Mayers ihm recht.
    Der Polizeipräsident deutete auf die beiden Männer an seiner Seite. »Die Herren Staatsanwälte kennen Sie ja, nicht wahr?«
    Mayers schüttelte beiden die Hände. »Natürlich. Schön, Sie zu sehen.« Er wandte sich Tallwitz zu. »Und Sie kennen gewiss meinen Kollegen Tallwitz.«
    Die Männer tauschten Förmlichkeiten aus, dann wurde Polizeipräsident Sattler ernst. »Mayers, wir müssen in dieser Neumond-Täter-Sache endlich Erfolge liefern«, sagte er mit Nachdruck. »Die Presse sitzt mir im Genick. Und die Staatsanwaltschaft. Und natürlich die Angehörigen der verschwundenen Familien. Wir müssen Fakten liefern, Mayers. Jetzt!«
    »Da gebe ich Ihnen recht«, antwortete Mayers. »Und ich freue mich, Ihnen sagen zu können, dass wir allmählich wirkliche Erfolge verbuchen.«
    Sattler stutzte. Mit dieser Antwort hatte er wohl nicht gerechnet. In Mayers keimte der Verdacht auf, dass der Polizeipräsident schon mit der Absicht hierhergekommen war, ihm den Fall zu entziehen.
    Tallwitz schaute in die Zelle, auf Bertoli, der zusammengekauert auf der Zellenpritsche saß, allen den Rücken zugekehrt und das Gesicht abgewandt, genau so, wie Mayers es ihm befohlen hatte.
    »So, so. Erfolge also?«, hakte Sattler nach. »Welcher Art?«
    »Die Sachlage ist komplizierter und komplexer, als man zu Beginnhätte meinen können«, gab Mayers zur Antwort. »Unzählige winzige Details mussten wir sammeln, die für sich genommen keinen Sinn ergaben. Doch inzwischen gelingt es uns, die Dinge zu verknüpfen und zu kombinieren.«
    Sattler schien beeindruckt. »Namen?«
    »Dafür ist es leider noch zu früh«, gab Mayers zurück. »Wir brauchen noch ein wenig Zeit.«
    Sattler dachte nach. »Noch ein wenig Zeit, hm?« Er fixierte Mayers mit seinem Blick. »Zeit.« Schließlich trat er an Mayers vorbei zu der Zellentür. Tallwitz hielt die Luft an, doch Mayers spielte sein Spiel weiter.
    Es blieb ihm ja auch keine andere Wahl.
    »Und er hier?«, fragte der Polizeipräsident. »Gehört er in den Kreis der Verdächtigen?«
    »Unbedingt!«, antwortete Mayers. »Wenn er auch vielleicht nicht der Täter ist, so deutet vieles auf eine Mittäterschaft hin.«
    »Wissen Sie inzwischen, wer er ist? Seinen vollständigen Namen? Wohnort? Geburtsort? Familie?«
    »Das gehört zu den Dingen, für die wir noch etwas Zeit benötigen«, antwortete Mayers, in der Gewissheit, dass Sattler nicht gefallen konnte, was er zu hören bekam.
    Und tatsächlich brummte Sattler missmutig: »Zeit also. Weitere Zeit   …«
    Der Polizeipräsident schaute von Mayers in die Zelle: »Guten Tag, Rouven. Entschuldigen Sie, aber ich muss Sie mit dem Vornamen ansprechen, da Sie uns Ihren Nachnamen noch nicht verraten haben.«
    Mayers und Tallwitz konnten erkennen, wie Bertoli in seiner Decke zusammenzuckte. Doch der Italiener hielt sich an Mayers Befehle, er

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