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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Glücksspiel, floh in Be-täubungen der Wollust, des Weines, und von da zurück in den
    Trieb des Haufens und Erwerbens. In diesem sinnlosen
    Kreislauf lief er sich müde, lief er sich alt, lief sich krank.
    Da mahnte ihn einst ein Traum. Er war die Abendstunden
    bei Kamala gewesen, in ihrem schönen Lustgarten. Sie waren
    unter den Bäumen gesessen, im Gespräch, und Kamala hatte
    nachdenkliche Worte gesagt, Worte, hinter welchen sich eine
    Trauer und Müdigkeit verbarg. Von Gotama hatte sie ihn ge-
    beten zu erzählen, und konnte nicht genug von ihm hören, wie
    rein sein Auge, wie still und schön sein Mund, wie gütig sein
    Lächeln, wie friedevoll sein Gang gewesen. Lange hatte er ihr
    vom erhabenen Buddha erzählen müssen, und Kamala hatte
    geseufzt, und hatte gesagt: »Einst, vielleicht bald, werde auch ich diesem Buddha folgen. Ich werde ihm meinen Lustgarten
    schenken, und werde meine Zuflucht zu seiner Lehre
    nehmen.« Darauf aber hatte sie ihn gereizt und ihn im
    Liebesspiel mit schmerzlicher Inbrunst an sich gefesselt, unter Bissen und unter Tränen, als wolle sie noch einmal aus dieser
    eiteln, vergänglichen Lust den letzten süßen Tropfen
    pressen. Nie war es Siddhartha so seltsam klargeworden, wie
    nahe die Wollust dem Tode verwandt ist. Dann war er an ihrer
    Seite gelegen, und Kamalas Antlitz war ihm nahe gewesen,
    und unter ihren Augen und neben ihren Mundwinkeln hatte er
    deutlich wie noch niemals eine bange Schrift gelesen, eine
    Schrift von feinen Linien, von leisen Furchen, eine Schrift,
    die an den Herbst und an das Alter erinnerte, wie denn auch
    Siddhartha selbst, der erst in den Vierzigen stand, schon hier
    und dort ergraute Haare zwischen seinen schwarzen bemerkt
    hatte. Müdigkeit stand auf Kamalas schönem Gesicht
    geschrieben, Müdigkeit vom Gehen eines langen Weges, der
    kein frohes Ziel hat, Müdigkeit und beginnende Welke, und
    verheimlichte, noch nicht gesagte, vielleicht noch nicht
    einmal gewußte Bangigkeit: Furcht vor dem Alter, Furcht vor
    dem Herbste, Furcht vor dem Sterbenmüssen. Seufzend hatte
    er von ihr Abschied genommen, die Seele voll Unlust und voll
    verheimlichter Bangigkeit.
    Dann hatte Siddhartha die Nacht in seinem Hause mit
    Tänzerinnen beim Weine zugebracht, hatte gegen seine Stan-
    desgenossen den Überlegenen gespielt, welcher er nicht mehr
    war, hatte viel Wein getrunken und spät nach Mitternacht sein
    Lager aufgesucht, müde und dennoch erregt, dem Weinen und
    der Verzweiflung nahe, und hatte lang vergeblich den Schlaf
    gesucht, das Herz voll eines Elendes, das er nicht mehr
    ertragen zu können meinte, voll eines Ekels, von dem er sich
    durchdrungen fühlte wie vom lauen, widerlichen Geschmack
    des Weines, der allzu süßen, öden Musik, dem allzu weichen
    Lächeln der Tänzerinnen, dem allzu süßen Duft ihrer Haare
    und Brüste. Mehr aber als vor allem anderen ekelte ihm vor
    sich selbst, vor seinen duftenden Haaren, vor dem
    Weingeruch seines Mundes, vor der schlaffen Müdigkeit und
    Unlust seiner Haut. Wie wenn einer, der allzuviel gegessen
    oder getrunken hat, es unter Qualen wieder erbricht und doch
    der Erleichterung froh ist, so wünschte sich der Schlaflose, in einem ungeheuren Schwall von Ekel sich dieser Genüsse,
    dieser Gewohnheiten, dieses ganzen sinnlo-
    sen Lebens und seiner selbst zu entledigen. Erst beim Schein
    des Morgens und dem Erwachen der ersten Geschäftigkeit
    auf der Straße vor seinem Stadthause war er eingeschlum-
    mert, hatte für wenige Augenblicke eine halbe Betäubung,
    eine Ahnung von Schlaf gefunden. In diesen Augenblicken
    hatte er einen Traum:
    Kamala besaß in einem goldenen Käfig einen kleinen seltenen
    Singvogel. Von diesem Vogel träumte er. Er träumte: dieser
    Vogel war stumm geworden, der sonst stets in der
    Morgenstunde sang, und da dies ihm auffiel, trat er vor den
    Käfig und blickte hinein, da war der kleine Vogel tot und lag
    steif am Boden. Er nahm ihn heraus, wog ihn einen Augen-
    blick in der Hand und warf ihn dann weg, auf die Gasse hinaus,
    und im gleichen Augenblick erschrak er furchtbar, und das
    Herz tat ihm weh, so, als habe er mit diesem toten Vogel allen
    Wert und alles Gute von sich geworfen.
    Aus diesem Traum auffahrend, fühlte er sich von tiefer
    Traurigkeit umfangen. Wertlos, so schien ihm, wertlos und
    sinnlos hatte er sein Leben dahingeführt; nichts Lebendiges,
    nichts irgendwie Köstliches oder Behaltenswertes war ihm in
    Händen geblieben. Allein stand er und leer, wie ein

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