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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Siddhartha folgen, dem Geliebten, dem
    Herrlichen. Und wenn Siddhartha einstmals ein Gott würde,
    wenn er einstmals eingehen würde zu den Strahlenden, dann
    wollte Govinda ihm folgen, als sein Freund, als sein Begleiter, als sein Diener, als sein Speerträger, sein Schatten.
    So liebten den Siddhartha alle. Allen schuf er Freude, allen
    war er zur Lust.
    Er aber, Siddhartha, schuf sich nicht Freude, er war sich
    nicht zur Lust. Wandelnd auf den rosigen Wegen des
    Feigengartens, sitzend im bläulichen Schatten des Hains der
    Betrachtung, waschend seine Glieder im täglichen Sühnebad,
    opfernd im tiefschattigen Mangowald, von vollkommenem
    Anstand der Gebärden, von allen geliebt, aller Freude, trug er
    doch keine Freude im Herzen. Träume kamen ihm und rastlose
    Gedanken aus dem Wasser des Flusses geflossen, aus den
    Sternen der Nacht gefunkelt, aus den Strahlen der Sonne
    geschmolzen, Träume kamen ihm und Ruhelosigkeit der Seele,
    aus den Opfern geraucht, aus den Versen der Rig-Veda
    gehaucht, aus den Lehren der alten Brahmanen geträufelt.
    Siddhartha hatte begonnen, Unzufriedenheit in sich zu
    nähren. Er hatte begonnen zu fühlen, daß die Liebe seines Va-
    ters, und die Liebe seiner Mutter, und auch die Liebe seines
    Freundes, Govindas, nicht immer und für alle Zeit ihn be-
    glücken, ihn stillen, ihn sättigen, ihm genügen werde. Er
    hatte begonnen zu ahnen, daß sein ehrwürdiger Vater und seine
    anderen Lehrer, daß die weisen Brahmanen ihm von ihrer
    Weisheit das meiste und beste schon mitgeteilt, daß
    Sie ihre Fülle schon in sein wartendes Gefäß gegossen hätten
    und das Gefäß war nicht voll, der Geist war nicht begnügt,
    die Seele war nicht ruhig, das Herz nicht gestillt. Die
    Waschungen waren gut, aber sie waren Wasser, sie wuschen
    nicht Sünde ab, sie heilten nicht Geistesdurst, sie lösten nicht Herzensangst. Vortrefflich waren die Opfer unddie Anrufung der Götter - aber war dies alles? Gaben die Opfer Glück? Und
    wie war das mit den Göttern? War es wi r kl i ch Prajapati, der die Welt erschaffen hat? War es nicht der Atman, Er, der
    Einzige, der All-Eine? Waren nicht die Götter Gestaltungen,
    erschaffen wie ich und du, der Zeit untenan, vergänglich?
    War es also gut, war es richtig, war es ein sinnvolles und
    höchstes Tun, den Göttern in zu opfern? Wem anders war zu
    opfern, wem anders war Verehrung darzubringen als Ihm,
    dem Einzigen, dem Atman? Und wo war Atman zu finden,
    wo wohnte Er, wo schlug Sein ewiges Herz, wo anders als im
    eigenen Ich, ImInnersten, im Unzerstörbaren, das ein jeder in sich trug?Aber wo, wo war dies Ich, dies Innerste, dies Letzte? Es war nicht Fleisch und Bein, es war nicht Denken
    noch Bewußtsein, so lehrten die Weisesten. Wo, wo also war
    es? Dorthin zu dringen, zum Ich, zu mir, zum Atman, - gab es
    einen andern Weg, den zu suchen sich lohnte? Ach, und
    niemand zeigte diesen Weg, niemand wußte ihn, nicht der
    Vater nicht die Lehrer und Weisen, nicht die heiligen
    Opfergesänge! Alles wußten sie, die Brahmanen und ihre
    heiligen Bücher, alles wußten sie, um alles hatten sie sich
    gekümmert und um mehr als alles, die Erschaffung der Welt,
    die Entstehung der Rede, der Speise, des Einatmens, des
    Ausatmens, die Ordnungen der Sinne, die Taten der Götter -
    unendlich vieles wußten sie - aber war es wertvoll,
    dies alles zu wissen, wenn man das Eine und Einzige nicht
    wußte, das Wichtigste, das allein Wichtige?
    Gewiß, viele Verse der heiligen Bücher, zumal in den Upa-
    nishaden des Samaveda, sprachen von diesem Innersten und
    Letzten, herrliche Verse. »Deine Seele ist die ganze Welt«,
    stand da geschrieben, und geschrieben stand, daß der Mensch
    im Schlafe, im Tiefschlaf, zu seinem Innersten eingehe und im
    Atman wohne. Wunderbare Weisheit stand in diesen Versen,
    alles Wissen der Weisesten stand hier in magischen Worten
    gesammelt, rein wie von Bienen gesammelter Honig. Nein,
    nicht gering zu achten war das Ungeheure an Erkenntnis, das
    hier von unzählbaren Geschlechterfolgen weiser Brahmanen
    gesammelt und bewahrt lag. Aber wo waren die Brahmanen,
    wo die Priester, wo die Weisen oder Büßer, denen es gelungen
    war, dieses tiefste Wissen nicht bloß zu wissen, sondern zu
    leben? Wo war der Kundige, der das Daheimsein im Atman
    aus dem Schlafe herüberzauberte ins Wachsein, in das
    Leben, in Schritt und Tritt, in Wort und Tat? Viele
    ehrwürdige Brahmanen kannte Siddhartha, seinen Vater vor
    allen, den Reinen, den Gelehrten, den höchst

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