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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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kleine Münze betrügen ließ. Wenn Kamas-
    wami zu ihm kam, um über seine Sorgen zu klagen oder ihm
    wegen eines Geschäftes Vorwürfe zu machen, so hörte er
    neugierig und heiter zu, wunderte sich über ihn, suchte ihn
    zu verstehen, ließ ihn ein wenig recht haben, ebensoviel als
    ihm unentbehrlich schien, und wandte sich von ihm ab, dem
    Nächsten zu, der ihn begehrte. Und es kamen viele zu ihm,
    viele, um mit ihm zu handeln, viele, um ihn zu betrügen,
    viele, um ihn auszuhorchen, viele, um sein Mitleid anzurufen,
    viele, um seinen Rat zu hören. Er gab Rat, er bemitleidete, er
    schenkte, er ließ sich ein wenig betrügen, und dieses ganze
    Spiel und die Leidenschaft, mit welcher alle Menschen dies
    Spiel betrieben, beschäftigte seine Gedanken ebensosehr,
    wie einst die Götter und das Brahman sie beschäftigt hatten.
    Zuzeiten spürte er, tief in der Brust, eine sterbende, leise
    Stimme, die mahnte leise, klagte leise, kaum daß er sie ver-
    nahm. Alsdann kam ihm für eine Stunde zum Bewußtsein,
    daß er ein seltsames Leben führe, daß er da lauter Dinge tue,
    die bloß ein Spiel waren, daß er wohl heiter sei und zuweilen
    Freude fühle, daß aber das eigentliche Leben dennoch an ihm
    vorbeifließe und ihn nicht berühre. Wie ein Ballspieler mit
    seinen Bällen spielt, so spielte er mit seinen Geschäften, mit
    den Menschen seiner Umgebung, sah ihnen zu, fand seinen
    Spaß an ihnen; mit dem Herzen, mit der Quelle seines Wesens
    war er nicht dabei. Die Quelle lief irgendwo, wie fern von
    ihm, lief und lief unsichtbar, hatte nichts mehr mit seinem
    Leben zu tun. Und einigemal erschrak er ob solchen Gedanken
    und wünschte sich, es möge doch auch ihm gegeben sein, bei
    all dem kindlichen Tun des Tages mit Leidenschaft und mit
    dem Herzen beteiligt zu sein, wirklich zu leben, wirklich zu
    tun, wirklich zu genießen und zu leben, statt nur so als ein
    Zuschauer daneben zu stehen.
    Immer aber kam er wieder zur schönen Kamala, lernte Lie-
    beskunst, übte den Kult der Lust, bei welchem mehr als ir-
    gendwo Geben und Nehmen zu einem wird, plauderte mit
    ihr, lernte von ihr, gab ihr Rat, empfing Rat. Sie verstand ihn besser, als Govinda ihn einst verstanden hatte, sie war ihm
    ähnlicher.
    Einmal sagte er zu ihr: »Du bist wie ich, du bist anders als
    die meisten Menschen. Du bist Kamala, nichts andres, und in
    dir innen ist eine Stille und Zuflucht, in welche du zu jeder
    Stunde eingehen und bei dir daheim sein kannst, so wie auch
    ich es kann. Wenige Menschen haben das, und doch könnten
    alle es haben.«
    »Nicht alle Menschen sind klug«, sagte Kamala.
    »Nein«, sagte Siddhartha, »nicht daran liegt es. Kamas-
    wami ist ebenso klug wie ich, und hat doch keine Zuflucht in
    sich. Andre haben sie, die an Verstand kleine Kinder sind. Die
    meisten Menschen, Kamala, sind wie ein fallendes Blatt, das
    weht und dreht sich durch die Luft, und schwankt, und
    taumelt zu Boden. Andre aber, wenige, sind wie Sterne, die
    gehen eine feste Bahn, kein Wind erreicht sie, in sich selber
    haben sie ihr Gesetz und ihre Bahn. Unter allen Gelehrten und
    Samanas, deren ich viele kannte, war einer von dieser Art ein
    Vollkommener, nie kann ich ihn vergessen. Es ist jener Gotama,
    der Erhabene, der Verkünder jener Lehre. Tausendjünger hören
    jeden Tag seine Lehre, folgen jeder Stunde seiner Vorschrift,
    aber sie alle sind fallendes Laub, nicht in sich selbst haben sie Lehre und Gesetz.«
    Kamala betrachtete ihn mit Lächeln. »Wieder redest du
    von ihm«, sagte sie, »wieder hast du Samanagedanken.«
    Siddhartha schwieg, und sie spielten das Spiel der Liebe,
    eines von den dreißig oder vierzig verschiedenen Spielen,
    welche Kamala wußte. Ihr Leib war biegsam wie der eines Ja-
    guars und wie der Bogen eines Jägers; wer von ihr die Liebe
    gelernt hatte, war vieler Lüste, vieler Geheimnisse kundig.
    Lange spielte sie mit Siddhartha, lockte ihn, wies ihn zurück,
    zwang ihn, umspannte ihn, freute sich seiner Meisterschaft, bis er besiegt war und erschöpft an ihrer Seite ruhte.
    Die Hetäre beugte sich über ihn, sah lang in sein Gesicht, in
    seine müdgewordenen Augen.
    »Du bist der beste Liebende«, sagte sie nachdenklich, »den
    ich gesehen habe. Du bist stärker als andre, biegsamer, willi-
    ger. Gut hast du meine Kunst gelernt, Siddhartha. Einst, wenn
    ich älter bin, will ich von dir ein Kind haben. Und dennoch,
    Lieber, bist du ein Samana geblieben, dennoch liebst du mich
    nicht, du liebst keinen Menschen. Ist es nicht

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