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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Schiff-
    brüchiger am Ufer.
    Finster begab sich Siddhartha in einen Lustgarten, der ihm
    gehörte, verschloß die Pforte, setzte sich unter einem Man-
    gobaum nieder, fühlte den Tod im Herzen und das Grauen in
    der Brust, saß und spürte, wie es in ihm starb, in ihm welkte, in ihm zu Ende ging. Allmählich sammelte er seine Gedanken
    und ging im Geiste nochmals den ganzen Weg seines Lebens,
    von den ersten Tagen an, auf welche er sich besinnen konnte.
    Wann denn hatte er ein Glück erlebt, eine wahre Wonne
    gefühlt? O ja, mehrere Male hatte er solches erlebt. In den
    Knabenjahren hatte er es gekostet, wenn er von den
    Brahmanen Lob errungen hatte, wenn er, den Altersgenossen
    weit voraus, sich mit dem Hersagen der heiligen Verse, im
    Disput mit den Gelehrten, als Gehilfe beim Opfer ausge-
    zeichnet hatte. Da hatte er es in seinem Herzen gefühlt: »Ein
    Weg liegt vor dir, zu dem du berufen bist, auf dich warten die
    Götter.« Und wieder als Jüngling, da ihn das immer höher
    emporfliehende Ziel alles Nachdenkens aus der Schar Gleich-
    strebender heraus- und hinangerissen hatte, da er in Schmerzen
    um den Sinn des Brahman rang, dajedes erreichte Wissen nur
    neuen Durst in ihm entfachte, da wieder hatte er, mitten im
    Durst, mitten im Schmerze dieses selbe gefühlt: »Weiter!
    Weiter! Du bist berufen!« Diese Stimme hatte er vernommen,
    als er seine Heimat verlassen und das Leben des Samana
    gewählt hatte, und wieder, als er von den Samanas hinweg zu
    jenem Vollendeten, und auch von ihm hinweg ins Ungewisse
    gegangen war. Wie lange hatte er diese Stimme nicht gehört,
    wie lange keine Höhe mehr erreicht, wie eben und öde war
    sein Weg dahin gegangen, viel lange Jahre, ohne hohes Ziel,
    ohne Durst, ohne Erhebung, mit kleinen Lüsten zufrieden und
    dennoch nie begnügt! Alle diese Jahre hatte er, ohne es selbst
    zu wissen, sich bemüht und danach gesehnt, ein Mensch wie
    diese vielen zu werden, wie diese Kinder, und dabei war sein
    Leben viel elender und ärmer gewesen als das ihre, denn ihre
    Ziele waren nicht die seinen, noch ihre Sorgen, diese ganze
    Welt der Kamaswami-Menschen war ihm ja nur ein Spiel
    gewesen, ein Tanz, dem man zusieht, eine Komödie. Einzig
    Kamala war ihm lieb, war ihm wertvoll gewesen - aber war
    sie es noch? Brauchte er sie noch, oder sie ihn? Spielten sie
    nicht ein Spiel ohne Ende? War es notwendig, dafür zu leben?
    Nein, es war nicht notwendig! Dieses Spiel hieß Sansara, ein
    Spiel für Kinder, ein Spiel, vielleicht hold zu spielen, einmal, zweimal, zehnmal - aber immer und immer wieder?
    Da wußte Siddhartha, daß das Spiel zu Ende war, daß er es
    nicht mehr spielen könne. Ein Schauder lief ihm über den
    Leib, in seinem Innern, so fühlte er, war etwas gestorben.
    Jenen ganzen Tag saß er unter dem Mangobäume, seines
    Vaters gedenkend, Govindas gedenkend, Gotamas geden-
    kend. Hatte er diese verlassen müssen, um ein Kamaswami
    zu werden? Er saß noch, als die Nacht angebrochen war. Als
    er aufschauend die Sterne erblickte, dachte er: »Hier sitze ich unter meinern Mangobäume, in meinem Lustgarten.« Er lä-
    chelte ein wenig - war es denn notwendig, war es richtig,
    war es nicht ein törichtes Spiel, daß er einen Mangobaum,
    daß er einen Garten besaß?
    Auch damit schloß er ab, auch das starb in ihm. Er erhob
    sich, nahm Abschied vom Mangobaum, Abschied vom
    Lustgarten. Da er den Tag ohne Speise geblieben war, fühlte
    er heftigen Hunger, und gedachte an sein Haus in der Stadt,
    an sein Gemach und Bett, an den Tisch mit den Speisen. Er
    lächelte müde, schüttelte sich und nahm Abschied von diesen
    Dingen.
    In derselben Nachtstunde verließ Siddhartha seinen Garten,
    verließ die Stadt und kam niemals wieder. Lange ließ Ka-
    maswami nach ihm suchen, der ihn in Räuberhand gefallen
    glaubte. Kamala ließ nicht nach ihm suchen. Als sie erfuhr,
    daß Siddhartha verschwunden sei, wunderte sie sich nicht.
    Hatte sie es nicht immer erwartet? War er nicht ein Samana,
    ein Heimloser, ein Pilger? Und am meisten hatte sie dies
    beim letzten Zusammensein gefühlt, und sie freute sich mitten
    im Schmerz des Verlustes, daß sie ihn dieses letzte Mal noch
    so innig an ihr Herz gezogen, sich noch einmal so ganz von
    ihm besessen und durchdrungen gefühlt hatte.
    Als sie die erste Nachricht von Siddharthas Verschwinden
    bekam, trat sie ans Fenster, wo sie in einem goldenen Käfig
    einen seltenen Singvogel gefangen hielt. Sie öffnete die Tür
    des Käfigs, nahm den Vogel heraus und

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