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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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bewirkte dieser Augenblick, da das Om in
    sein Bewußtsein drang: daß er sich in seinem Elend und in
    seinem Irrsal erkannte.
    »Om!« sprach er vor sich hin: »Om!« Und wußte um
    Brahman, wußte um die Unzerstörbarkeit des Lebens, wußte
    um alles Göttliche wieder, das er vergessen hatte.
    Doch war dies nur ein Augenblick, ein Blitz. Am Fuß des
    Kokosbaumes sank Siddhartha nieder, legte sein Haupt auf
    die Wurzel des Baumes und sank in tiefen Schlaf.
    Tief war sein Schlaf und frei von Träumen, seit langer Zeit
    hatte er einen solchen Schlaf nicht mehr gekannt. Als er nach
    manchen Stunden erwachte, war ihm, als seien zehn Jahre
    vergangen, er hörte das leise Strömen des Wassers, wußte
    nicht, wo er sei und wer ihn hierher gebracht habe, schlug die
    Augen auf, sah mit Verwunderung Bäume und Himmel über
    sich, und erinnerte sich, wo er wäre und wie er hierher ge-
    kommen sei. Doch bedurfte er hierzu einer langen Weile, und
    das Vergangene erschien ihm wie von einem Schleier
    überzogen, unendlich fern, unendlich weit weg gelegen, un-
    endlich gleichgültig. Er wußte nur, daß er sein früheres Leben
    (im ersten Augenblick der Besinnung erschien ihm dies
    frühere Leben wie eine weit zurückliegende, einstige Verkör-
    perung, wie eine frühe Vorgeburt seines jetzigen Ich) -, daß
    er sein früheres Leben verlassen habe, daß er voll Ekel und
    Elend sogar sein Leben habe wegwerfen wollen, daß er aber
    an einem Flusse, unter einem Kokosbaume, zu sich gekom-
    men sei, das heilige Wort Om auf den Lippen, dann ent-
    schlummert sei, und nun erwacht als ein neuer Mensch in die
    Welt blicke. Leise sprach er das Wort Om vor sich hin, über
    welchem er eingeschlafen war, und ihm schien, sein ganzer
    langer Schlaf sei nichts als ein langes, versunkenes Om-Spre-
    chen gewesen, ein Om-Denken, ein Untertauchen und völliges
    Eingehen in Om, in das Namenlose, Vollendete.
    Was für ein wunderbarer Schlaf war dies doch gewesen!
    Niemals hatte ein Schlaf ihn so erfrischt, so erneut, so ver-
    jüngt! Vielleicht war er wirklich gestorben, war untergegangen
    und in einer neuen Gestalt wiedergeboren? Aber nein, er kannte
    sich, er kannte seine Hand und seine Füße, kannte den Ort, an
    dem er lag, kannte dies Ich in seiner Brust, diesen
    Siddhartha, den Eigenwilligen, den Seltsamen, aber dieser
    Siddhartha war dennoch verwandelt, war erneut, war
    merkwürdig ausgeschlafen, merkwürdig wach, freudig und
    neugierig.
    Siddhartha richtete sich empor, da sah er sich gegenüber
    einen Menschen sitzen, einen fremden Mann, einen Mönch in
    gelbem Gewände mit rasiertem Kopfe, in der Stellung des
    Nachdenkens. Er betrachtete den Mann, der weder Haupthaar
    noch Bart an sich hatte, und nicht lange hatte er ihn betrachtet, da erkannte er in diesem Mönche Govinda, den Freund seiner
    Jugend, Govinda, der seine Zuflucht zum erhabenen Buddha
    genommen hatte. Govinda war gealtert, auch er, aber noch
    immer trug sein Gesicht die alten Züge, sprach von Eifer, von
    Treue, von Suchen, von Ängstlichkeit. Als nun aber Govinda,
    seinen Blick fühlend, das Auge aufschlug und ihn anschaute,
    sah Siddhartha, daß Govinda ihn nicht erkenne. Govinda freute
    sich, ihn wach zu finden, offenbar hatte er lange hier gesessen und aufsein Erwachen gewartet, obwohl er ihn nicht kannte.
    »Ich habe geschlafen«, sagte Siddhartha. »Wie bist du denn
    hierher gekommen?«
    »Du hast geschlafen«, antwortete Govinda. »Es ist nicht
    gut, an solchen Orten zu schlafen, wo häufig Schlangen sind
    und die Tiere des Waldes ihre Wege haben. Ich, o Herr, bin
    ein Jünger des erhabenen Gotama, des Buddha, des Saky-
    amuni, und bin mit einer Zahl der Unsrigen diesen Weg ge-
    pilgert, da sah ich dich liegen und schlafen an einem Orte, wo es gefährlich ist zu schlafen. Darum suchte ich dich zu wecken, o
    Herr, und da ich sah, daß dein Schlaf sehr tief war, blieb ich
    hinter den Meinigen zurück und saß bei dir. Und dann, so
    scheint es, bin ich selbst eingeschlafen, der ich dei-
    nen Schlaf bewachen wollte. Schlecht habe ich meinen
    Dienst versehen, Müdigkeit hat mich übermannt. Aber nun,
    da du ja wach bist, laß mich gehen, damit ich meine Brüder
    einhole.«
    »Ich danke dir, Samana, daß du meinen Schlaf behütet
    hast«, sprach Siddhartha. »Freundlich seid ihr Jünger des Er-
    habenen. Nun magst du denn gehen.«
    »Ich gehe, Herr. Möge der Herr sich immer wohl befin-
    den.«
    »Ich danke dir, Samana.«
    Govinda machte das Zeichen des Grußes und sagte:

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