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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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noch ein wenig. Zweifelnd blickte ich zu Ayesha auf, deren Kopfschleier, als sie erschrocken zurücktaumelte, herabgerutscht war. Sie hielt noch immer Leos Kopf und betrachtete, ebenso bleich wie er, sein Gesicht mit einem Ausdruck unsäglicher Todesangst, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Anscheinend wußte auch sie nicht, ob er am Leben bleiben oder sterben würde. Langsam vergingen fünf Minuten, und ich sah, daß sie die Hoffnung aufgab; ihr schönes ovales Gesicht schien einzufallen und sichtlich schmäler zu werden unter ihrer Seelenqual, die schwarze Schatten um ihre Augen zeichnete. Das Korallenrot ihrer Lippen verblich, bis sie weiß waren wie Leos Gesicht und kläglich zuckten. Ihr Anblick war herzzerreißend, und trotz meines eigenen Kummers empfand ich für sie Mitleid.
    »Ist es zu spät?« keuchte ich.
    Ohne zu antworten, verbarg sie ihr Gesicht in den Händen, und auch ich wandte mich ab. Doch während ich dies tat, hörte ich einen langgezogenen Seufzer, und als ich niederblickte, sah ich, wie Röte Leos Gesicht überhauchte. Wieder seufzte er, und dann – Wunder über Wunder – drehte sich der Mann, den wir für tot gehalten hatten, auf die Seite.
    »Sieh doch«, flüsterte ich.
    »Ich sehe«, erwiderte sie heiser. »Er ist gerettet. Ich dachte schon, es sei zu spät – noch einen Augenblick – einen kleinen Augenblick –, und er wäre tot gewesen!« Ein schrecklicher Weinkrampf überkam sie, und sie schluchzte, als wollte ihr das Herz brechen, wobei sie schöner aussah denn je zuvor. Endlich kam sie zu sich.
    »Verzeih mir, o Holly – vergib mir meine Schwäche«, sagte sie. »Wie du siehst, bin ich trotz allem nur ein Weib. Stelle dir das nur vor! Erst heute morgen sprachst du von diesem Marterplatz deiner neuen Religion. Hölle oder Hades nanntest du ihn – einen Ort, wo die Seele weiterlebt, eingedenk der Vergangenheit, wo all die Irrtümer und Fehler und unbefriedigten Leidenschaften und Schrecken, die sie je erfüllten, das Herz für immer und ewig peinigen und quälen ohne einen Hoffnungsschimmer. So, genau so, habe ich zweitausend Jahre lang gelebt – an die Sechsundsechzig Generationen nach eurer Zeitrechnung – in einer Hölle, wie du sagtest – gequält von der Erinnerung an ein Verbrechen, Tag und Nacht gepeinigt von einem ungestillten Verlangen – ohne Gefährten, ohne Trost, unsterblich, geleitet nur auf meinem dunklen Pfad von den Irrlichtern der Hoffnung, die mich, bald aufflackernd, bald verlöschend, wie meine Kunst mir sagte, dereinst zu meinem Retter führen würden.
    Und dann – bedenke es gut, o Holly, nie wieder wirst du eine solche Geschichte hören, nie wieder Zeuge solcher Dinge werden, nicht, wenn ich dir zehntausend Jahre Leben schenkte – und die sollst du, wenn du willst, als Lohn empfangen –, dann endlich kam mein Retter – er, dessen ich all die Zeiten hindurch geharrt – zu der vorherbestimmten Zeit kam er, mich zu suchen, wie ich es gewußt, denn meine Weisheit trügt mich nicht, wenn ich auch nicht wußte, wann und wie. Und dennoch – wie unwissend war ich! Wie klein mein Wissen ist, wie gering meine Stärke! Seit Stunden lag er hier und rang mit dem Tode, und ich ahnte es nicht – ich, die ich zweitausend Jahre lang auf ihn wartete – ich wußte es nicht! Und dann endlich sehe ich ihn, und um Haaresbreite hatte ich ihn verloren, denn er liegt im Rachen des Todes, dem ihn all meine Macht nicht entreißen kann. Und wenn er stirbt, so muß ich diese Hölle noch einmal durchleben – noch einmal all die endlosen Jahrhunderte durchwandern und warten, warten, bis die Zeit erfüllt ist und meinen Geliebten mir zurückbringt. Und dann gabst du ihm die Medizin, und diese wenigen Minuten, in denen ich nicht wußte, ob er leben oder sterben wird, glaube mir, sie waren länger als die sechzig Menschenalter, die ich durchlitt. Doch endlich waren sie vergangen, und noch immer kein Zeichen, und ich wußte, wenn die Medizin jetzt nicht wirkt, dann wirkt sie überhaupt nicht. Ich dachte schon, er ist wieder tot, und all die Qualen aller dieser Jahre vereinten sich zu einem einzigen giftigen Speer, der sich tief in mich bohrte, denn wieder hatte ich Kallikrates verloren! Und dann, als alles schon vorüber schien, da seufzte er – bedenke – er seufzte! Er lebte! Und ich wußte, er würde am Leben bleiben, denn es stirbt keiner, bei dem die Medizin wirkt. Bedenke dies, mein Holly – bedenke dieses Wunder! Er wird nun zwölf Stunden schlafen, und dann hat die

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