Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
ein bißchen Mühe war ich in der Lage, herauszufinden, von welchen Stellen im Codex Dresden die Bilder in dem neuen Codex stammten. Um ihr das zu zeigen, lieh ich ihr mein Buch und vergaß schließlich, daß sie es hatte.) So hatten die Bibliothekare an der UCLA alle Hände voll zu tun, bis sie ein anderes Exemplar von Villacortas Ausgabe des Codex Dresden aufhieben und mir ausliehen.
Ich stellte die Berechnungen noch einmal an und kam diesmal sogar noch ein bißchen weiter: Wie ich herausfand, waren jene »komischen Zahlen«, die ich früher für Fehler gehalten hatte, in Wirklichkeit ganzzahlige Vielfache von etwas, das der korrekten Periode (583,923) näher kam - die Mayas hatten gemerkt, daß 584 nicht ganz stimmte! (3)
Nach dem Kolloquium an der UCLA überreichte mir Professor Byers einige schöne Farbreproduktionen des Codex Dresden. Ein paar Monate später bat mich das Caltech, den gleichen Vortrag auch in Pasadena zu halten. Robert Rowan, ein Immobilienmakler, lieh mir für den Vortrag am Caltech einige sehr wertvolle Keramikfiguren und Steinskulpturen von Maya-Göttern. Vermutlich war es im höchsten Maße illegal, so etwas aus Mexiko auszuführen, und die Plastiken waren so wertvoll, daß wir sie durch Sicherheitsleute bewachen ließen.
Ein paar Tage vor dem Vortrag am Caltech berichtete die New York Times mit Riesenschlagzeilen über die Entdeckung eines neuen Codex. Zu der Zeit war nur die Existenz von drei Codices bekannt (von denen zwei kaum aufschlußreich sind) - Hunderttausende waren von spanischen Priestern als »Werke des Teufels« verbrannt worden. Meine Cousine arbeitete bei der Nachrichtenagentur AP, sie besorgte mir einen Hochglanzabzug von dem Photo, das die New York Times veröffentlicht hatte, und ich machte ein Dia davon, um es bei meinem Vortrag zu verwenden.
Dieser neue Codex war eine Fälschung. In meinem Vortrag wies ich darauf hin, daß die Zahlen zwar von der Art waren, wie man sie im Codex Madrix findet, aber daß es sich um die Zahlen 236, 90, 250 und 8 handelte - welch ein Zufall! Da finden wir von den hunderttausend ursprünglich entstandenen Büchern ein weiteres Fragment, und es steht dasselbe drin wie in den anderen Fragmenten! Es war offenkundig wieder eine von diesen zusammengestückelten Sachen, an denen nichts echt ist.
Die Leute, die solche Kopien herstellen, haben nie den Mut, etwas wirklich anderes zu machen. Wenn man etwas wirklich Neues findet, muß da etwas anderes drinstehen. Ein wirklicher Streich wäre, etwas wie die Marsperiode herzunehmen und eine Mythologie mit Zahlen, die zum Mars passen, dazu zu erfinden - nicht zu offensichtlich, sondern in Form von Tabellen mit Vielfachen der Periode, mit ein paar mysteriösen »Fehlern« und so weiter. Die Zahlen müßten schon ein bißchen überlegt sein. Dann würden die Leute sagen: »Mensch! Das hat ja was mit dem Mars zu tun!« Außerdem müßten ein paar Sachen drinstehen, die nicht verständlich sind und die nicht genau wie das sind, was man schon kennt. Das wäre eine gute Fälschung.
Es machte mir einen Riesenspaß, den Vortrag über die »Entzifferung von Maya-Hieroglyphen« zu halten. Da stand ich wieder einmal und war etwas, was ich nicht bin. Die Leute schlängelten sich an den Schaukästen vorbei in den Hörsaal und bewunderten die Farbreproduktionen des Codex Dresden und die echten Maya-Kunstwerke, die von einem bewaffneten Mann in Uniform bewacht wurden; sie hörten einen zweistündigen Vortrag über die Mathematik und Astronomie der Mayas von einem Amateur-Experten auf diesem Gebiet (der ihnen sogar erzählte, woran man einen gefälschten Codex erkennt), und dann gingen sie hinaus und bewunderten noch einmal die Schaukästen. In den darauffolgenden Wochen konterte Murray Gell-Mann mit einer schönen Reihe von sechs Vorträgen über die linguistischen Beziehungen aller Sprachen der Welt.
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(2) In den Jahren, in denen ich als junger Professor in Cornell war, war Professor Neugebauer einmal dort hingekommen, um eine Reihe von Vorlesungen, die sogenannten Messenger Lectures, über babylonische Mathematik zu halten. Sie waren großartig. Im Jahr darauf las Oppen heimer. Ich erinnere mich, daß ich dachte: »Es wäre schön, wenn ich eines Tages herkommen und auch solche Vorlesungen halten könnte!« Als ich einige Jahre später Einladungen von verschiedenen Universitäten ablehnte, wurde ich auch eingeladen, die Messenger Lectures in Cornell zu halten. Da ich mir das in den Kopf gesetzt hatte, konnte
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